Datum 03.03.2017
Category Allgemein

Hintergrund

Bei dem Urteil des AG Würzburg ging es um Differenzmietwagenkosten.

Aussage

Das AG Würzburg geht vom arithmetischen Mittel der Schwacke- und Fraunhofer-Liste aus und führt hierzu aus:

„Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Geschädigte vom Schädiger und seinem Haftpflichtversicherer nach §§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1VVG als erforderlichen Herstellungsaufwand nur Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei gehalten, im Rahmen die ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter – gegebenenfalls nach Beratung durch einen Sachverständigen – zu schätzen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Zuschlag auf den „Normaltarif“ in Betracht kommt.

Der erforderliche Herstellungsaufwand ist nach der neuen Rechtsprechung des Landgerichts Würzburg nach dem Endurteil vom 26.11.2014 im Verfahren 42 S 770/14 nicht mehr nach der Schwacke-Liste alleine zu ermitteln. Das Landgericht Würzburg hat in dieser Entscheidung u.a. ausgeführt:

„Den ortsüblichen Normaltarif schätzt die Kammer unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung gemäß § 287 ZPO anhand des arithmetischen Mittels der sich aus dem „Mietpreisspiegel“ des Unternehmens eurotaxSCHWACKE (im Folgenden Schwacke-Liste) und dem „Marktpreisspiegel Mietwagen“ des Fraunhofer-Institutes für Arbeitswirtschaft und Organisation (im Folgenden Fraunhofer-Liste) im maßgebenden Postleitzahlengebiet ergebenden Normaltarif (vgl. auch OLG Saarbrücken, NZV 2010, 242; OLG Celle, NJW-RR 2012, 802; OLG Hamm, RuS 2011, 536ff; OLG Karlsruhe, NZV 2011, 553 OLG Köln NZV 2014,314)“

„Die Kammer gibt ihre bisherige Rechtsprechung, nach der der Normaltarif anhand der Schwacke-Liste bemessen wurde, ausdrücklich auf. Sie schließt sich der Auffassung an, dass aufgrund der Preisentwicklung der Schwacke-Liste in den letzten Jahren es nicht mehr sachgerecht ist, diese als alleinige Schätzgrundlage heranzuziehen (vgl. OLG Köln NZV 2014, 314).

Die Kammer schließt sich der im Vordringen befindlichen und von mehreren Oberlandesgerichten vertretenen Ansicht an, wonach das arithmetische Mittel zwischen beiden Listen am ehesten geeignet ist, die Schwächen der Erhebungen beider Listen auszugleichen und Rechtssicherheit für den Unfallgeschädigten zu schaffen (OLG Saarbrücken, NZV 2010, 242; OLG Celle, NJW-RR 2012, 802; OLG Hamm, RuS 2011. 536 ff; OLG Karlsruhe, NZV 2011, 533; OLG Köln NZV 2014, 314; OLG Zweibrücken Urt. vom 22.01.2014, 1 U 165/11 = zitiert nach juris)“ (Seite 5, 6 des Endurteils).“

Der erkennende Richter schließt sich der geänderten Rechtsauffassung der für ihn zuständigen Berufungskammer des LG Würzburg an.

Dementsprechend ist nach dem Berufungsurteil des LG Würzburg vom 26.11.2014 der Normaltarif wie folgt zu ermitteln:

  • –  Die Berechnung erfolgt unter Anwendung der für den Anmietungszeitpunkt aktuellsten Tabelle, da es für die ortsüblichen Mietkosten auf die zu diesem Zeitpunkt geltenden Mietpreise ankommt.
  • –  Maßgeblicher Postleitzahlenbezirk ist der Anmietort, also der Postleitzahlenbezirk des Vermieters (BGH VersR 2010, 683).
  • –  Auszugehen ist in beiden Tabellen jeweils von dem arithmetischen Mittel. Da die Fraunhofer-Tabelle – anders als die Schwacke-Liste – keinen Modus, sondern lediglich das arithmetische Mittel aller erhobenen Einzelwerte ausweist, werden dadurch die beiderseitig maßgebenden Erhebungsmethoden angeglichen. Zudem spricht für ein Anknüpfen an den arithmetischen Mittelwert eine in der Gesamtschau geringere Fehlerneigung, denn beim Modus kann es zu erheblichen Verzerrungen kommen, wenn unter einer Vielzahl individueller Angebotspreise nur zwei vollständig übereinstimmen, die dann unabhängig von der Höhe der anderen Werte den Modus bilden (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2012,802).
  • –  Hinsichtlich der Fahrzeugklasse ist auf den angemieteten Ersatzwagen und nicht auf den beschädigten Unfallwagen abzustellen (OLG Köln, NZV 2014, 314).

–  Für die Berechnung des Normaltarifs wird der größte, für die Anmietung erforderliche Zeitabschnitt entsprechend den Tabellenwerken entnommen und daraus ein entsprechender 1-Tages-Wert errechnet, der sodann mit der Anzahl der tatsächlichen Gesamtmiettage multipliziert wird (vgl. OLG Köln, NZV 2014, 314; OLG Celle, NJW-RR 2012, 802; OLG Köln, SP 2010, 396).

Das gemietete Fahrzeug ist in die Mietwagenklasse 6 nach Schwacke einzuordnen. Die Anmietung erfolgte in 73495 Stödtlen, sodass das Postleitzahlengebiet 734 zugrunde zu legen ist. Die Mietdauer belief sich auf 10 Tage.

Ein Aufschlag auf den Normaltarif, den das Gericht auf 20 % nach § 287 ZPO schätzt, ist gerechtfertigt. Die Geschädigte hat das Fahrzeug bereits am 25.11.2013 angemietet. Es ist anerkannt, dass der Geschädigte ein Fahrzeug zu einem Tarif anmieten kann, der gegenüber dem Normaltarif erhöht ist, wenn die Besonderheit dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (z.B. Vorfinanzierung, Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung bei falscher Bewertung der Unfallanteile, keine Verreservierung, Betrugsrisiko, keine Absicherung durch Kreditkarten) aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.2013, Az. IV ZR 161/05). Es liegt somit eine Anmietung in konkreter Unfallsituation vor.

Hinsichtlich der Nebenleistungen gilt Folgendes:

Gesondert in Rechnung gestellte weitere Leistungen wie Winterreifen, Haftungsreduzierung, Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeuges, weiterer Fahrer, Anhängerkupplung und Navigationsgerät (Nebenkosten) sind dem arithmetischen Mittel aus den Tabellen von Fraunhofer und Schwacke zuzuschlagen, sofern sie im Rahmen der streitgegenständlichen Mietverhältnisse tatsächlich angefallen und erstattungsfähig sind, da diese Leistungen in den Grundtarifen beider Erhebungen nicht enthalten sind.

In der Rechnung des Vermieters wurden keine Nebenkosten geltend gemacht. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass in der Schwacke-Liste ab 2011 im Normaltarif bereits die Kosten einer Haftungsbefreiung eingerechnet sind. Daher sind sie im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels 2013 grundsätzlich nicht mehr als Nebenkosten zu berücksichtigen. Dass hier eine Haftungsreduzierung mit einem Selbstbehalt von unter 500,00 € im Mietvertrag vereinbart worden wäre, hat die Klägerin schon nicht vorgetragen. Aus dem Mietvertrag ergibt sich vielmehr eine Eigenbeteiligung in Höhe von 1.000,00 €. Es sind daher keine Kosten der Haftungsfreistellung zusätzlich als Nebenkosten zu erstatten.

Im Wege der Vorteilsausgleichung ist ein Abzug wegen ersparter Eigenkosten vorzunehmen. Dieser wird vom Gericht gemäß § 287 ZPO auf 10 % des Brutto-Grundmietpreises geschätzt.“

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