Datum 28.03.2017
Category Allgemein
Anwaltskosten nach einem Verkehrsunfall

Hintergrund

Der Parteien streiten um restliche Reparaturkosten in Höhe von 372,13 € aufgrund eines Verkehrsunfalls. Der Kläger hatte sein Fahrzeug nach dem Unfall zur Reparatur ins Autohaus gebracht, wofür Reparaturkosten in Höhe von 4.289,85 € brutto berechnet wurden.

Die Beklagte verweigerte die restliche Zahlung mit der Behauptung, dass einige der durchgeführten Reparaturmaßnahmen – Austausch der Brustleiste vorne und hinten außen links CHROM, Fensterschachtabdeckung außen links, Dichtung Tür vorne links – aus technischer Sicht zur Behebung des Unfallschadens nicht notwendig gewesen wären.

Der hiergegen gerichteten Klage wurde stattgegeben.

Aussage

Das AG Neuss führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass die Frage der Notwendigkeit der vom Beklagten gerügten Reparaturmaßnahmen im vorliegenden Fall dahinstehen könne und schließt sich im Übrigen den überzeugenden Ausführungen des AG Düsseldorf (Urteil vom 21.11.2014, AZ: 37 C 11789/11) an:

Gemäß §249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Erforderlich sind nur Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.

Dem Geschädigten sind in diesem Rahmen auch Mehrkosten zu ersetzen, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt das sogenannte Werkstatt- und Prognoserisiko, falls den Geschädigten nicht ausnahmsweise hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft.

Die Reparaturwerkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB des Geschädigten. Die Reparatur liegt in der Verantwortungssphäre des Schädigers. Die Ausübung der Ersetzungsbefugnis durch den Geschädigten kann nicht zu einer anderen Risikoverteilung führen. Hierbei sind auch die begrenzten Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten in den Blick zu nehmen: Sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, verliert er den Einfluss darauf, ob und inwieweit dort unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden. Dies darf sich nicht zulasten des Geschädigten auswirken.

Zu solchen in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch Kosten für etwaige unnötige Zusatzarbeiten, welche durch die Werkstatt durchgeführt wurden. Die Ersatzfähigkeit von unnötigen Mehraufwendungen ist nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn dem Dritten ein äußerst grobes Verschulden zur Last fällt, sodass die Mehraufwendungen dem Schädiger nicht mehr zurechenbar sind.

Dem Schädiger entsteht hierdurch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung Abtretung etwaiger Schadenersatzansprüche gegen die Werkstatt verlangen kann.

Daher waren die Beklagten vorliegend nur zur Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung eines etwaigen Schadenersatzanspruchs des Klägers gegen das Autohaus wegen der Vornahme unnötiger Reparaturarbeiten am Unfallfahrzeug zu verurteilen.

Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind von Amts wegen zu beachten. Hierzu bedarf es weder der Abgabe einer Gestaltungserklärung noch der Geltendmachung einer Einwendung seitens des Schädigers.

Nach diesen Grundsätzen waren sämtliche Reparaturkosten zu ersetzen, auch soweit diese – wie von der Beklagten behauptet – aus technischer Sicht nicht notwendig zur Schadenbeseitigung waren

Ein Auswahlverschulden des Klägers ist vorliegend nicht ersichtlich. Nach Übergabe des Fahrzeugs an die Reparaturwerkstatt war es aus der Einwirkungssphäre des Klägers entlassen. Für den Kläger – als technischem Laien – war nicht erkennbar, dass die Werkstatt ggf. technisch nicht notwendige Arbeiten durchführt.

Vorliegend ging es um vermeintlich unnötige Mehraufwendungen in Höhe von 9 % der Gesamtreparaturkosten, die sämtlich noch in einem gewissen Zusammenhang mit den Unfallschäden standen. Daher stellen diese nach der Ansicht des AG Neuss keine übersetzten Mehrkosten da, welche vom Beklagten vollumfänglich zu ersetzen waren.

Praxis

Die vorliegende Entscheidung des AG Neuss macht deutlich, dass es unter Berücksichtigung schadenersatzrechtlicher Grundsätze nicht darauf ankommt, ob die Reparaturmaßnahmen aus technischer Sicht zur Behebung des Unfallschadens tatsächlich notwendig waren. Es kommt in erster Linie darauf an, wie sich die Erforderlichkeit der Reparaturkosten aus Sicht des Geschädigten darstellt.

Teilen Sie den Artikel
Facebook Facebook Twitter Twitter