Datum 28.04.2017
Category Allgemein

Hintergrund

In diesem Fall nahm die Klägerin als Käuferin eines mit dem Abgassachmangel behafteten Fahrzeugs, das sie im Juli 2010 erwarb und das am 14.12.2010 auf sie zugelassen wurde, den Hersteller VW aus verschiedenen rechtlichen Gründen auf Rückzahlung des Kaufpreises für das Fahrzeug und Feststellung des Annahmeverzugs in Anspruch.

Die Klägerin behauptete zum einen, dass das mit der Software zur Beeinflussung des Abgasschreibens ausgestattete Fahrzeug mangelhaft sei. Die Klägerin behauptete weiterhin Ansprüche gegen den beklagten Hersteller aus der abgegebenen Neuwagengarantie.

Weiterhin stützte die Klägerin ihren Anspruch auf Rückabwicklung auf die § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 263, 826 BGB.

Aussage

Das LG Braunschweig hielt die zulässige Klage für unbegründet und führt hierzu wörtlich aus:

„Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges aus § 443 Abs. 1 BGB wegen einer vor der Beklagten abgegebenen Garantie betreffend die Umweltverträglichkeit des Fahrzeuges.

Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte als Herstellerin eine (eigenständige) Garantieerklärung i.S.d. § 443 Abs. 1 BGB abgegeben hat. Voraussetzung der Garantie gem. § 443 BGB ist ein Garantievertrag, der durch eine Garantieerklärung des Garantiegebers und deren Annahme durch den Garantienehmer zustandekommt. Dabei begründet einschlägige Werbung allein keine Garantie; erforderlich ist eine Garantieerklärung, also eine auf den Abschluss einer eigenständigen Garantie gerichtete, abgegebene Willenserklärung des Garantiegebers (Palandt-Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., § 443 Rn. 5f.). Ob ein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrages vorliegt, ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagte über allgemeine, zum Kauf auffordernde Werbung hinaus rechtsverbindlich ein Garantieangebot i.S.d. Umweltverträglichkeit und insbesondere nicht dahin abgegeben hat, dass sich die Beklagte unabhängig von kaufvertraglichen Ansprüchen der Klägerin gegen den Verkäufer bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Abgaswerte Rückabwicklung (bzw. Übernahme der vertraglichen Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung aus einem Gebrauchtfahrzeugkauf) verpflichtet.

Die Klägerin hat auch kein anderweitiges, als Grundlage eines Schadensersatzanspruches gem. §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB in Betracht kommendes Schuldverhältnis dargelegt, ebenfalls nicht die Voraussetzungen der quasivertraglichen Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB.

Ein eigenes unmittelbares wirtschaftliches Interesse der Beklagten bei einem Fahrzeugerwerb der Klägerin über den Vertragshändler der Beklagten besteht nicht. Gleichfalls hat die Klägerin nicht vorgetragen, in besonderem Maß Vertrauen in die Beklagte bzw. einen ihrer Erfüllungsgehilfen gesetzt zu haben dahin, dass die Prüfzyklen betreffend die Erreichung der Euro 5 Norm ohne Verwendung einer manipulierenden Software durchgeführt werden. Soweit schließlich Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung in Betracht gezogen werden könnten, ist- unabhängig von der Frage, ob die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben zum Fahrzeug und zur Euro 5 Norm auch eine Aufklärung über den Einsatz der verwendeten Software bei der Durchführung der Testzyklen erfordert hätte -, nicht dargelegt, dass die Kaufentscheidung der Klägerin auf der Verwendung eines entsprechenden Prospektes der Beklagten beruhte.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 1 BGB. Unabhängig davon, ob der Pkw infolge der Software mangelhaft ist, liegt eine Eigentumsverletzung durch den Ankauf des Pkw nicht vor. Der Erwerb einer mangelhaften Sache selbst stellt keine Eigentumsverletzung dar (Palandt-Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 178); gleichfalls liegt kein Fall eines eine deliktische Haftung auslösenden „weiterfressenden Schadens“ vor; die eingebaute Software ist nicht geeignet, den Pkw zu zerstören oder zu beschädigen. Die Voraussetzung der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass das Integritätsinteresse und das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse nicht „stoffgleich“ sind, denn das Deliktsrecht schützt nicht das Interesse an der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung (BGH NJW 2011, 594 Tz. 26); eine Haftung nach § 823 entfällt daher, wenn das eingebaute fehlerhafte Teil lediglich zu einer Funktionsstörung der Gesamtsache führt (BGHZ 117, 183). Dass die Software dazu führt, dass der Pkw beschädigt oder zerstört wird, ist von der Klägerin nicht dargetan und nicht ersichtlich, gleichfalls nicht, dass dies durch einen etwaigen Austausch der Software eintritt.

Die Klägerin hat auch eine konkrete, durch die im Pkw verwendete Software verursachte Beschädigung der Gesundheit nicht dargelegt.

Die Klägerin hat gegen Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB. Die Klägerin hat eine Absicht rechtswidriger Bereicherung der Beklagten nicht dargelegt. Bereicherungsabsicht setzt voraus, dass die Tat subjektiv auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils für den Täuschenden oder einen Dritten gerichtet ist; dabei muss der Vorteil die Kehrseite des Schadens und ihm „stoffgleich“ sein, er muss unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Verfügungen sein, die den Schaden des Opfers herbeiführt; maßgeblich ist die Unmittelbarkeit der Verschiebung (Fischer, StGB, 63. Aufl., Paragraf 263 Rn. 187 m.w.N.). Dem Täter muss es darauf ankommen, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen; an der erforderlichen Absicht fehlt es, wenn der Täter die Vorteilserlangung nur als notwendige Folge eines anderen Zwecks in Kauf nimmt (Fischer, a.a.O., § 263 Rn. 190 m.w.N.). Vorliegend erscheint bereits fraglich, ob es der Beklagten bei der Verwendung der eingebauten Software um einen Wettbewerbsvorteil durch die Reduzierung ansonsten erforderlicher Entwicklungs- und Produktionskosten ging. Soweit die Klägerin einen Schaden durch den Vertragsschluss mit dem Vertragshändler und die Belastung mit der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises geltend macht, fehlt es an der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung. Der Vertragsschluss mit dem Vertragshändler stellt insoweit die mittelbare Folge der von der Beklagten primär beabsichtigten (unmittelbaren) Veräußerung des Fahrzeugs an den Vertragshändler dar.

Gleichfalls scheidet mangels Vorliegens eines Schutzgesetzes Schadensersatz wegen Verstoßes gegen das UWG aus; § 3 und § 16 UWG sind keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (Palandt-Sprau, a.a.O., § 823 Rn. 72 m.w.N.).

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB.

Soweit die Klägerin zur Begründung geltend macht, die Beklagte habe sie über die Umweltverträglichkeitseigenschaften des gekauften Fahrzeuges getäuscht, begründet dies keinen Schadensersatzanspruch. Eine dahingehende Täuschung der Beklagten liegt nicht vor. Die Beklagte hat als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges lediglich damit geworben, dass dieses Fahrzeugmodell im Rahmen der Erlangung der Typengenehmigung auf dem Rollenprüfstand bei Ableistung des Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) die Grenzwerte der Euro 5a Norm in 2009 eingehalten hat. Weitergehende Versprechen dahingehend, dass diese Grenzwerte, insbesondere im Hinblick auf den Stickoxidwert, im Realbetrieb nicht überschritten werden, sind nicht erfolgt. Insoweit liegt eine vergleichbare Situation zur Herstellerangabe betreffend den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch vor. Insoweit muss dem Käufer bewusst sein, dass die angegebenen Werte nicht im Realbetrieb, sondern unter definierten, vom individuellen Realbetrieb abweichenden Testbedingungen ermittelt wurden, die primär darauf abzielen, eine Vergleichbarkeit der Testergebnisse hinsichtlich der Vielzahl von Testungen und Fahrzeugtypen zu erreichen und nicht den Realbetrieb des einzelnen Fahrzeuges abzubilden.

Soweit die Klägerin geltend macht, der Mangel am Fahrzeug bestehe in dem Vorhandensein einer möglicherweise unzulässigen Manipulationssoftware an sich bzw. in dem Abweichen des Schadstoffausstoßes im Realbetrieb im Vergleich zum Prüfstandbetrieb, der Beklagten sei vorwerfbar, dass sie bei nicht offengelegt habe, dass die Typengenehmigung und Einstufung in die Euro 5a Norm nur unter Verwendung der Manipulationssoftware erreicht wurde, so fehlt es jedenfalls an dem mit der Klageforderung geltend gemachten Schaden.

Dabei kann offenbleiben, ob die Klägerin, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Verwendung der Software gewusst hätte, das Fahrzeug nicht erworben hätte, weil für sie die Unsicherheit bestanden hätte, ob sie die Gegenleistung für den Kaufpreis, nämlich das Fahrzeug, zukünftig überhaupt hätte nutzen können bzw. unter welchen Bedingungen. Ungeachtet der Frage, ob es sich um eine unzulässige Abschaltvorrichtung handelte, ist der Widerruf der Typengenehmigung und der Zulassung des Fahrzeugs aktuell nicht zu befürchten. Eine fehlende Nutzbarkeit des Fahrzeugs ist als Folge der durch das Kraftfahrtbundesamt angeordneten Rückrufes der betroffenen Fahrzeuge zwecks Nachrüstung durch die Beklagte (derzeit) nicht gegeben mit der Folge, dass der mit der Klage geltend gemachte Vermögensschaden durch Eingehung einer vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr besteht. Bei einer Betrachtung der Vermögenssituation der Klägerin im Sinne der Differenzmethode (BGH, Urteil vom 03.07.1984 – VI ZR 264/82) ergibt sich, dass diese vor dem Vertragsschluss ein Vermögen in Höhe des Kaufpreises hatte und nunmehr das Fahrzeug in entsprechendem Wert (unter Berücksichtigung des Wertverlustes und der gezogenen bzw. nicht gezogenen Nutzungen) besitzt.

Soweit ein Vermögensverlust durch einen geringeren Wiederverkaufswert des streitgegenständliche Fahrzeuges wegen der Verwendung der Manipulationssoftware oder nach Entfernen derselben aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich Motorleistung/Kraftstoffverbrauch/Emissionen/Lebensdauer denkbar ist, ist ein entsprechender Schaden mangels Verkaufs bislang nicht eingetreten. Die Klägerin hat auch keine konkrete Verkaufsabsicht vorgetragen hat. Im Falle der Nutzung des Fahrzeuges bis zu dessen Verschrottung (Unfall, Alter) würde sich ein solcher Schaden aber nicht realisieren. Ein vom Leistungsantrag auf Zahlung durch Umdeutung ggf. miterfasster Feststellungsantrag (BGH, Urteil v. 31.01.1984 – VI ZR 150/82) im Hinblick auf den ggf. bei Weiterverkauf eintretenden Vermögensverlust unter Berücksichtigung des Feststellungsinteresses im Hinblick auf die Verjährungsproblematik war nicht zuzusprechen, da eine Verkaufsabsicht nicht dargetan ist und insoweit der Zahlungsantrag nicht in einen solchen Feststellungsantrag umgedeutet werden kann.

Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht, soweit die Klägerin geltend macht, im Falle der Deaktivierung der Manipulationssoftware sei ein erhöhter Verbrauch bzw. ein Leistungseinbruch zu befürchten. Ein allein allgemein drohender Schadenseintritt begründet noch keinen Schaden. Auch insoweit lagen – bei etwaiger entsprechender Auslegung des Klageantrags- die Voraussetzungen einer konkreten Feststellung nicht vor.

Dass das Fahrzeug selbst mit der Manipulationssoftware ausgestattet ist, führt für sich allein betrachtet nicht zu einem Vermögensschaden betreffend die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung. Zwar ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt, sondern nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch dann, wenn diese Differenzhypothese vordergründig nicht zu einem rechnerischen Schaden führt, die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen Beurteilungsgrundlage aber besteht. Die Differenzhypothese ist stets einer normativen Kontrolle zu unterziehen, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Dabei ist einerseits das konkrete haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen (BGH, Beschluss vom 09.07.1986 – GSZ 1/86). Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen (BGH, Urteil vom 26.09.1997 – V ZR 29/96). Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Insoweit wäre ein Schaden des Käufers eines Fahrzeuges mit Manipulationssoftware durchaus denkbar, im konkreten Fall aber abzulehnen, da die Klägerin aufgrund der Entscheidung des Kraftfahrtbundesamtes das Fahrzeug weiterhin zu den mit dem Kaufvertragsschluss beabsichtigten Zwecken, nämlich der allgemeinen Nutzung im Straßenverkehr, verwenden kann.“

Praxis

Das Urteil des LG Braunschweig befasst sich mit dem selteneren Fall, bei dem ein Fahrzeugkäufer allein und ausschließlich den Hersteller aus verschiedenen Gründen in Anspruch nimmt.

Das LG Braunschweig befasst sich sehr ausführlich mit den entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 823 und 826 sowie mit etwaigen Ansprüchen aus einer Neuwagengarantie.

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