Hintergrund
Die Parteien streiten über die Erstattung einer Schadenersatzforderung infolge eines Verkehrsunfalls. Der klägerische Pkw war vor dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall bereits von zwei massiven Vorschadenereignissen betroffen, deren ordnungsgemäße Reparatur nicht mehr festgestellt werden konnte.
Zur Reparatur eines bereits zuvor eingetretenen Totalschadens machte der Kläger keine bzw. lediglich rudimentäre Angaben. Er trägt vor, er habe den Schaden an der rechten Fahrzeugseite mithilfe seines Bruders repariert, ohne jedoch Einzelheiten hierzu zu nennen. Er konnte daher seinen Fahrzeugschaden in Gestalt des Wiederbeschaffungswertes der Höhe nach nicht hinreichend schlüssig und substantiiert im Einzelnen darlegen.
Aussage
Der Kläger konnte sich zum Beweis des Fahrzeugschadens nicht auf das vorgerichtliche Schadengutachten stützen, da der Sachverständige darin zu etwaigen Vorschäden lediglich „Gebrauchsspuren, Lackierung des vorderen Stoßfängers links unterhalb beschädigt, verschrammt“ angegeben hatte. Dies wurde dem tatsächlichen Ausmaß der massiven – vorgeblich reparierten – Vorschäden nicht gerecht. Der daher deutlich überhöht ermittelte Wiederbeschaffungswert konnte folglich keine taugliche Grundlage für die Bezifferung des ersatzfähigen Fahrzeugschadens darstellen.
Ist streitig, ob der Fahrzeugschaden durch einen Unfall entstanden ist oder wie hoch der Sachschaden zu beziffern ist, so kann das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung gemäß § 287 ZPO entscheiden. Der Geschädigte muss jedoch den Umfang des Schadens und dessen Reparatur belegen, da der Ersatzanspruch nur in Höhe der Kosten besteht, die zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.02.2006, AZ: 1 U 148/05). Der Geschädigte muss eine geeignete Schätzgrundlage beibringen. Eine Schätzung ist unzulässig, wenn sie mangels greifbarer – vom Geschädigten vorzutragender – Anhaltspunkte „völlig in der Luft hängen würde“.
Vorhandene Vorschäden müssen daher im Einzelnen unter Benennung der konkret beschädigten Fahrzeugteile und der Art ihrer Beschädigung sowie die für die Beseitigung erforderlichen einzelnen Reparaturschritte und die tatsächlich vorgenommenen Reparaturarbeite schlüssig dargelegt werden.
Auch im Fall eines reparierten Vorschadens, der weiterhin den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs beeinflusst, treffen den Kläger besondere Darlegungs- und Beweispflichten. Ohne detaillierte Kenntnis über den Umfang des Vorschadens und seiner ggf. erfolgten Reparatur kann der aktuelle Wiederbeschaffungswert nicht ermittelt werden.
Selbst wenn der Vorschaden sich auf einen anderen Schadenbereich als der neue Schaden bezieht, lässt sich ohne weitere Angaben zum Vorschaden und zur Reparatur im Einzelnen ein erstattungsfähiger Fahrzeugschaden nicht feststellen, da der Wiederbeschaffungswert nicht bestimmbar ist. Insofern treffen den Geschädigten hier dieselben Anforderungen wie bei einem überlagerten Schadenbereich.
Es ist sowohl der Umfang des wertbestimmenden Vorschadens wie auch seine Natur genau darzulegen. Verbleibende Zweifel gehen zulasten des Geschädigten.
Im vorliegenden Fall war weder eine halbwegs sichere Reparaturkostenkalkulation noch eine halbwegs sichere Wiederbeschaffungswertabgrenzung möglich. Der Kläger trug vor, ein vor dem Kauf stattgefundener Unfallschaden sei „fachgerecht instand gesetzt“ worden – ohne Angabe der notwendigen Details zu Art und Umfang der Reparatur bzw. ob Neu- oder Gebrauchtteile verwendet wurden.
Ist ein unfallgeschädigtes Fahrzeug von massiven Vorschäden betroffen, die den geltend gemachten Schaden überlagern, muss der Kläger zur Begründung seines Ersatzbegehrens nicht nur den Umfang der Vorschäden im Einzelnen darlegen, sondern auch spezifiziert vortragen, welche Reparaturmaßnahmen in der Vergangenheit zur vollständigen und ordnungsgemäßen Beseitigung der Vorschäden durchgeführt worden sind und ob eventuelle Reparaturmaßnahmen jeweils in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Instandsetzungsvorgaben standen.
Der Geschädigte muss geeignete Schätzgrundlagen beibringen, welche Anhaltspunkte zur Schadenschätzung bieten. Eine Schadenschätzung ist dann unzulässig, wenn vom Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte vorgetragen werden.
Ein Ersatzanspruch besteht nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden technisch und rechnerisch eindeutig vom Vorschaden abgrenzbar ist. Für die Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes ist die konkrete Information darüber erforderlich, inwieweit die Vorschäden im Einzelnen fachgerecht und vollständig repariert wurden, sodass diese bei der Bemessung des Wiederbeschaffungswertes nicht bzw. nur unter Berücksichtigung eines merkantilen Minderwerts zu berücksichtigen sind. Allein der optische Zustand lässt keinen sicheren Rückschluss auf den technischen Zustand zu.
Ist eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens aufgrund der Wahrscheinlichkeit von erheblichen Vorschäden nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge.
Da im vorliegenden Fall eine sach- und fachgerechte Reparatur des Vorschadens nicht nachgewiesen werden konnte, wies der Senat die Ansprüche vollumfänglich zurück.
Praxis
Das OLG Celle stellt in seiner Entscheidung klar, dass der Geschädigte nach einem Totalschaden bei der Abrechnung nachweisen muss, dass erhebliche Vorschäden zuvor fachgerecht beseitigt wurden. Ist ihm dies nicht möglich, bleibt offen, von welchem Wiederbeschaffungswert auszugehen ist.
Ein Ersatzanspruch besteht nur dann, wenn Tatsachen dargelegt und bewiesen werden, anhand derer der geltend gemachte Schaden technisch und rechnerisch eindeutig vom Vorschaden abgrenzbar ist (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2017, AZ: I-1 U 31/16).