Datum 10.04.2017
Category Allgemein

Hintergrund

Im Verfahren vor dem BGH ging es um die Frage der Überwälzung von Überführungs- und Zulassungskosten auf den Leasingnehmer und die Inhaltskontrolle einer solchen formularmäßigen Überwälzung.

Im Januar 2014 schlossen die Beklagte und die Leasinggeberin einen Geschäftsfahrzeug- Leasingvertrag über ein fabrikneues Fahrzeug.

Auf der Vorderseite der von der Beklagten unterzeichneten Leasingbestellung, die über die Klägerin als vermittelnde Händlerin an die Leasinggeberin gerichtet war, findet sich in der Rubrik „Vereinbarungen“ folgende vorformulierte Klausel:

„Überführungs- und Zulassungskosten berechnet der ausliefernde Betrieb separat.“

Die Klägerin, die das Leasingfahrzeug nach Überführung in ihren Betrieb an die Beklagte auslieferte, berechnete dieser Überführungskosten in Höhe von 868,70€. Der Rechnungsbetrag setzte sich aus folgenden Positionen zusammen:

  • –  Transportkosten
  • –  Vergütung für eine Übergabeinspektion
  • –  „Handlingpauschale“
  • –  Entgelt für eine vorgeschriebene Überprüfung des Fahrzeugs auf Einhaltung der

    Unfallverhütungsvorschriften

  • –  Fahrzeugaufbereitung
  • –  Bereitstellung von Warndreieck, Warnweste und Verbandstasche

    Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie sich nur in Vertragsbeziehungen zur Leasinggeberin befindet und befunden hat, nicht dagegen zur Klägerin. Des Weiteren ist sie der Meinung, dass die Klägerin die vorgenannten Leistungen im originären eigenen Interesse ausgeführt habe, ohne dazu von ihr – der Beklagten – beauftragt worden oder sonst berechtigt gewesen zu sein. Sie lehnte eine Zahlung ab.

    Auf die erhobene Klage der Klägerin sprach das AG Heilbronn (AZ: 10 C 2327/14) einen Betrag von 831,39 € zu.

    Auf die Berufung der Beklagten hat das LG Heilbronn (AZ: Bi 6 S 18/15) die Klage abgewiesen.

Aussage

Aus den Entscheidungsgründen des Urteils des BGH ergibt sich, dass die Revision hierauf Erfolg hat. Der BGH sieht als Anspruchsgrundlage den gesetzlichen Provisionsanspruch nach § 354 Abs. 1 HGB und führt hierzu wörtlich aus:

„Das Berufungsgericht hat rechtsirrig angenommen, für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Überführungs- und Zulassungskosten fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Denn dieser Anspruch ist dem Grunde nach aus § 354 Abs. 1 HGB gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift kann – im Streitfall ergebnisgleich mit einer vertraglichen Anspruchsgrundlage – derjenige, der in Ausübung seines Handelsgewerbes einem anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, dafür auch ohne Verabredung Provision nach den am Ort üblichen Sätzen fordern. Darum geht es auch bei den von der Klägerin im Streitfall erbrachten Leistungen.

Der gesetzliche Provisionsanspruch nach § 354 Abs. 1 HGB setzt eine Vereinbarung der Parteien über eine Vergütung der erbrachten Leistungen nicht voraus. Die Vorschrift greift im Gegenteil gerade schon dann ein, wenn es an einer (wirksamen) vertraglichen Vereinbarung über die für eine zu erbringende oder erbrachte Leistung zu zahlende Vergütung fehlt (BGH, Urteil vom 31. März 1982 – IVa ZR 4/81, WM 1982, 613 unter Ziffer 1; GK-HGB/B. Schmidt, aaO Rn.2; jeweils mwN). Ihr liegt dabei der seit jeher als maßgeblich anerkannte und auch an anderer Stelle im Gesetz mehrfach zum Ausdruck gekommene Gedanke zu Grunde, wonach jedermann weiß, dass ein Kaufmann sein Gewerbe in der Absicht regelmäßiger Gewinnerzielung betreibt und daher Handlungen für andere im Rahmen seines Gewerbebetriebs grundsätzlich nicht ohne Gegenleistung erbringen will (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1993 – I ZR 292/90, WM 1993, 1261 unter II 1; Kindler in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 354 Rn. 1; GK-HGB/B. Schmidt, aaO Rn. 1; jeweils mwN).

Voraussetzung des gesetzlichen Provisionsanspruchs aus § 354 Abs. 1 HGB ist neben der – hier gemäß § 6 Abs. 1, § 161 Abs. 1 HGB gegebenen – Kaufmannseigenschaft des Anspruchstellers und einem zu vermutenden Tätigwerden in Ausübung seines Handelsgewerbes (§§ 343, 344 Abs. 1 HGB), dass er mit der ausgeführten Tätigkeit ein Geschäft besorgt hat, welches im Interesse des Anspruchsgegners lag und befugtermaßen für diesen geschah (BGH, Urteil vom 28. Januar 1993 – I ZR 292/90, aaO). Das ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen im Streitfall gegeben.

Zu den von § 354 Abs. 1 HGB erfassten Geschäftsbesorgungen oder Dienstleistungen rechnen angesichts der insoweit gebotenen weiten Auslegung nach allgemeiner Auffassung jede selbstständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen sowie alle sonstigen, für den anderen Teil objektiv nützlichen Tätigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art (Oetker/Pamp, HGB, 4. Aufl., § 354 Rn. 7; BeckOK-HGB/Lehmann-Richter, Stand: August 2016, § 354 Rn. 12; GK-HGB/B. Schmidt, aaO Rn. 8; jeweils mwN). Dementsprechend werden etwa auch die Beförderung von Gütern oder die Überlassung von Gegenständen zum Gebrauch dazu gerechnet (Oetker/Pamp, aaO Rn. 8; BeckOK-HGB/Lehmann-Richter, aaO Rn. 13; GK-HGB/B. Schmidt, aaO; Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl., § 354 Rn. 4), so dass neben den von der Klägerin angesetzten Herrichtungs- und Überprüfungstätigkeiten auch die Veranlassung der Überführung des Fahrzeugs in ihren Betrieb sowie die Ausstattung des Fahrzeugs mit gesetzlich vorgeschriebenem Zubehör (Warndreieck, Warnweste und Verbandstasche) geeignet sind, den Vergütungsanspruch auszulösen. Denn unter der in § 354 Abs. 1 HGB angesprochenen Provision ist bei dem gebotenen weiten Verständnis jede Vergütung zu fassen, die ein Kaufmann unter den nachstehend erörterten weiteren Voraussetzungen für eine in dieser Vorschrift angesprochene Geschäftsbesorgung oder Dienstleistung üblicherweise beanspruchen kann (Heymann/ Horn, aaO Rn. 10; Oetker/Pamp, aaO Rn. 16).

Die Klägerin hat die die Auslieferung des Leasingfahrzeugs vorbereitenden Bereitstellungstätigkeiten in dem für einen Vergütungsanspruch erforderlichen Interesse der Beklagten erbracht.

Zwar kann ein Kaufmann, der ausschließlich eigene Interessen oder Interessen Dritter verfolgt, keine Vergütung nach § 354 Abs. 1 HGB verlangen, selbst wenn die entfalteten Bemühungen auch dem in Anspruch Genommenen zugutekommen (Senatsurteil vom 21. November 1983 – VIII ZR 173/82, WM 1984, 165 unter II 2 a). Dagegen steht einem Vergütungsanspruch nicht bereits entgegen, dass der tätig Gewordene neben den Interessen des in Anspruch Genommenen – hier der Beklagten – zugleich eigene Interessen oder solche seiner Kunden verfolgt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1973 – IV ZR 158/72, BGHZ 62, 71, 79). Erforderlich ist in diesem Fall nur, dass für den in Anspruch Genommenen erkennbar war, dass die Tätigkeit gerade auch für ihn entfaltet wurde (BGH, Urteile vom 25. September 1985 – IVa ZR 22/84, BGHZ 95, 393, 398; vom 12. Februar 1981 – IVa ZR 105/80 – WM 1981, 495 unter 2). So liegt es im Streitfall.

Durch die eingangs genannte Klausel im Bestellformular hat die Leasinggeberin, wie auch das Berufungsgericht richtig gesehen hat, klargestellt, dass die Leasingfinanzierungszusage Überführungs- und Zulassungskosten nicht umfasste, der damit zusammenhängende Aufwand also – aus nahe liegenden steuerlichen Gründen (vgl. HessFG, EFG 1999, 813) – nicht Gegenstand der von der Leasinggeberin zu entfaltenden Beschaffungsbemühungen im Vorfeld der von ihr geschuldeten Überlassung des Leasinggegenstandes sein und dementsprechend auch nicht in die Leasingkalkulation einfließen sollte. Die dafür erforderlichen Leistungen sollte sich die Beklagte danach vielmehr gegen ein gesondert zu zahlendes Entgelt unmittelbar vom ausliefernden Betrieb – hier der Klägerin – beschaffen. Dass die Klägerin an den von ihr erbrachten Bereitstellungsleistungen interessiert war, um darüber den mit der Leasinggeberin vereinbarten Beschaffungsvorgang vollenden zu können, und dass die Leasinggeberin ein Interesse an Leistungen hatte, um der Beklagten ein gebrauchstaugliches Fahrzeug zur Verfügung zu stellen, ändert nichts daran, dass nach den im Leasingvertrag getroffenen Regelungen der Überführungs- und Zulassungsaufwand von der Beklagten zu tragen sein sollte und dementsprechend die dazu erbrachten Leistungen in erster Linie in ihrem Interesse erfolgt sind.

Die Klägerin ist nicht nur im Interesse der Beklagten, sondern auch befugterweise für diese tätig geworden. Insbesondere stehen die Leasingvereinbarungen zwischen der Beklagten und der Leasinggeberin einem befugten Tätigwerden der Klägerin im Interesse der Beklagten nicht entgegen.

Eine Provisionspflicht nach § 354 Abs. 1 HGB setzt voraus, dass zwischen dem Kaufmann und dem Leistungsempfänger ein das Tätigwerden rechtfertigendes Verhältnis besteht. Dazu bedarf es allerdings nicht stets einer vertraglichen Grundlage. Es kann vielmehr schon genügen, dass jemand die ihm vom Kaufmann erkennbar geleisteten Dienste in Anspruch nimmt, obwohl er weiß oder sich nach den Umständen sagen muss, dass solche Dienste auch ohne ausdrückliche, eine Vergütungspflicht und/oder deren Höhe klarstellende vertragliche Grundlage nur gegen entsprechende Vergütung erbracht werden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juli 2005 – III ZR 397/04, BGHZ 163, 332, 338; vom 28. Januar 1993 – I ZR 292/90, aaO; vom 19. November 1962 – VIII ZR 229/61, WM 1963,165, unter B I 3). Das ist bei den in Rede stehenden Überführungs- und Zulassungskosten, die bei Fehlen entgegenstehender Regelungen sowohl in Kauf- als auch in Leasingverträgen über Kraftfahrzeuge einem Käufer oder Leasingnehmer üblicherweise gesondert berechnet werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. September 2014 – I ZR 201/12, GRUR Int. 2014, 1155 Rn. 10; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 1586; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 155, L 360; Bachmeier, Rechtshandbuch Autokauf, 2. Aufl., Rn. 466 f. mwN), der Fall. Durch die vorstehend wiedergegebene Klausel im Bestellformular wird dies noch eigens unterstrichen.

Diese Klausel, die der Senat uneingeschränkt selbst auslegen kann (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 2015 – VIII ZR 349/14, WM 2016, 665 Rn. 21 mwN), ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht als überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB anzusehen. Sie hält auch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand.

Zwar werden gemäß § 305c Abs. 1 BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. So verhält es sich hier aber nicht. Abgesehen davon, dass es auch bei Leasingverträgen üblich ist, dass der Leasingnehmer Nebenleistungen etwa für die Überführung oder die An- und Abmeldung des Fahrzeugs gesondert zu bezahlen hat, soweit sie nicht als durch die Leasingraten abgedeckter Bestandteil des Leasingvertrags ausgewiesen werden (vgl. Reinking/Eggert, aaO, Rn. L 360; Zahn/Bahmann, Kfz-Leasingvertrag, 1999, Rn. 414), ist die Klausel auf der Vorderseite des Leasingbestellformulars in einer derart deutlich sichtbaren Weise platziert, dass sie einem normal aufmerksamen Leser schlechthin nicht verborgen bleiben kann (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 179/13, BGHZ 201, 271 Rn.18 ff.).

In der formularmäßigen Überwälzung dieser Kosten auf die Beklagte liegt auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine gesonderte Vergütungspflicht der Beklagten für die erbrachten Überführungs- und Zulassungsleistungen hätte zwar auszuscheiden, wenn der in der eingangs genannten Klausel des Bestellformulars unter Verweis auf eine vergütungspflichtige Erbringung dieser Leistungen durch den ausliefernden Betrieb geregelte Ausschluss einer Leistungserbringung durch die Leasinggeberin selbst unwirksam wäre und nach den bestehenden Vertragsbeziehungen die Leasinggeberin diese Leistungen zur Ermöglichung der von ihr geschuldeten Gebrauchsüberlassung zusätzlich als Nebenleistung anstelle der Klägerin zu erbringen hätte. Das ist jedoch zu verneinen.

Durch diese Vertragsgestaltung wird vielmehr eine zur Erhöhung des Finanzierungsaufwands führende Aktivierung dieser Kosten vermieden und ein gewerblicher Leasingnehmer wie die Beklagte sogar in die ihr günstige Lage versetzt, die Kosten als sofort abziehbare Betriebsausgaben in Ansatz zu bringen. Außerdem gehören etwa Zulassungskosten bei Kaufverträgen ohnehin nicht zu den an sich vom Verkäufer zu tragenden Kosten der Übergabe im Sinne von § 448 Abs. 1 BGB und dementsprechend bei Leasingverträgen auch nicht zu den Kosten der vom Leasinggeber zu bewirkenden Überlassung des Leasinggegenstandes. Hinzu kommt etwa für die Übergabekosten, hier namentlich die Überführungskosten, dass die Kostentragungsregel des § 448 Abs. 1 BGB in weitgehendem Umfang, und zwar auch im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen, abdingbar ist (MünchKommBGB/Westermann, 7. Aufl., § 448 Rn. 1; BeckOGK-BGB/ Mock, Stand: Oktober 2016, § 448 Rn. 44, 45; Bachmeier, aaO Rn. 512 f.). Für die Beschaffungsvorgänge eines Kraftfahrzeug-Leasingvertrags, bei denen sich der Leasingnehmer ohnehin nicht selten in einer käuferähnlichen Lage befindet (vgl. Graf von Westphalen in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., Leasing Rn. 121), kann nichts anderes gelten.“

Praxis

Das BGH-Urteil befasst sich mit der Inhaltskontrolle einer formularmäßigen Überwälzung von Überführungs- und Zulassungskosten im Rahmen eines Leasingvertragsverhältnisses auf den Leasingnehmer. Der BGH sieht als Anspruchsgrundlage für einen ausliefernden Fahrzeughändler den Provisionsanspruch gemäß § 354 Abs. 1 HGB.

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