Datum 09.03.2017
Category Allgemein

Hintergrund

Der in München ansässige Beklagte vermittelt über ein Internetportal Mietfahrzeuge von Drittunternehmen. Der Kläger gelangte im Februar 2013 auf diese Internetseite der Beklagten, nachdem er ein Suchmerkmal „ohne Selbstbeteiligung“ angegeben hatte.

Der Kläger buchte dann über die Beklagte ein Mietfahrzeug der Firma H. zum Preis von 303,68 €, wobei der Kläger nach Abschluss des Buchungsvorgangs von der Beklagten eine Buchungsbestätigung unter anderem mit folgendem wörtlichen Inhalt erhielt:

„ In Ihrem Mietpreis enthalten:

Inklusive Haftungseinschränkung und Diebstahlschutz für das Mietfahrzeug mit einer Selbstbeteiligung von ca. EUR 2.500,00.
Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadenfall.

In Ihrem Mietpreis nicht enthalten:

Eine optionale Versicherung zur weiteren Reduzierung der Selbstbeteiligung kann vor Ort beim Vermieter gegen eine zusätzliche Gebühr abgeschlossen werden. “

In der Buchungsbestätigung heißt es unter „Vermittlungs-/Vermietkonditionen“ unter anderem:

„ nimmt die Buchung Ihres Mietwagens beim Autovermieter vor, so wie auf dem Voucher angegeben und bucht die Zahlung im Namen des Autovermieters ab. Der Voucher ist kein Mietvertrag und vermietet keine Fahrzeuge.

stellt keine Versicherung. Die Versicherungsdeckung stellt der Autovermieter wie im Mietvertrag angegeben. Zusätzliche Versicherungen können vor Ort gegen eine zusätzliche Gebühr beim Vermieter abgeschlossen werden “

sowie

„ Wenn Sie ein . Produkt gebucht haben, das die Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadensfall und bei Diebstahl des Mietfahrzeugs beinhaltet, wird Ihnen unter bestimmten Voraussetzungen den Betrag erstatten, den Sie an den Vermieter bezahlt haben. Diese mögliche Erstattung ist KEINE Versicherung sondern ein Service von , über den die Gesellschaft im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens entscheidet.

Bei Unfällen, bei Diebstahl und bei neu entdeckten Schäden am Mietfahrzeug muss die örtliche Polizei umgehend, jedoch spätestens innerhalb von 24 Stunden nach Schadensfeststellung, benachrichtigt und ein Polizeibericht erstellt werden.
Sollte die o.g. Vorgehensweise nicht befolgt werden, kann dies zu einer Ablehnung der Erstattung der Selbstbeteiligung führen. “

Nachdem der Kläger den vereinbarten Mietpreis an die Beklagte bezahlt hatte, erhielt er beim Autovermieter gegen Vorlage der Buchungsbestätigung und Zahlung einer Kaution in Höhe eines Selbstbeteiligungsbetrages von 2.500,00 € ein Mietfahrzeug übergeben.

Anschließend teilte der Kläger der Beklagten und dem Autovermieter mit, dass er mit dem Mietfahrzeug einen Verkehrsunfall mit einem Schaden in Höhe von mehr als 3.000,00 € erlitten habe, bei dem eine polizeiliche Aufnahme nicht erfolgt sei.

Der Autovermieter behielt daraufhin die Kaution in Höhe von 2.500,00 € ein.

Daraufhin klagte der Kläger gegen den Beklagten auf Erstattung des Kautionsbetrages von 2.500,00 € beim Amtsgericht seines Wohnsitzes.

Das AG Langenfeld wies auf den Einwand der Beklagten im Hinblick auf die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts die Klage des Klägers als unzulässig ab.

Das LG Düsseldorf (Entscheidung vom 04.02.2016, AZ: 9 S 14/15) wies die Berufung des Klägers mit der Maßgabe zurück, dass der Rechtsstreit auf den im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag des Klägers unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das örtlich zuständige AG München verwiesen wird.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen bisherigen Hauptantrag weiter.

Aussage

Nach dem BGH hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Der BGH führt hierzu wörtlich aus:

„ Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2016, 946 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 215 Abs. 1 VVG, weil die Parteien nicht über Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag stritten. Die zentrale vertragliche Vereinbarung der Parteien liege in der Vermittlung von Mietwagen. Die Vermittlung stelle auch aus Sicht des Klägers die zentrale Leistung der Beklagten dar. Im Rahmen der durch die Beklagten vermittelten Verträge biete diese ihren Kunden unter bestimmten Voraussetzungen – letztlich als besonderes Verkaufsargument – die Erstattung einer Selbstbeteiligung an. Dieser Erstattung komme neben der Vermittlung von Mietwagen jedoch keine eigenständige Bedeutung zu. Der Kunde erbringe auch für die Erstattung der Selbstbeteiligung weder Mietwagenunternehmen Prämienzahlungspflicht Hauptleistungspflicht in einem Versicherungsvertragsverhältnis dar. Nach gefestigter Rechtsprechung fänden überdies die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes auf das Vertragsverhältnis zwischen Kunden und gewerblichem Mietwagenanbieter keine unmittelbare Anwendung. Infolgedessen könne die Vermittlung von Mietwagen erst recht nicht als Versicherung angesehen werden.

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichtete Revision ist zwar statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision ist bereits deshalb unbegründet, weil sie gemäß § 545 Abs. 2 ZPO nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Durch diese Vorschrift sollen im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des Gerichts gestützt werden (BT-Drucks. 14/4722 S. 106). Eine Zuständigkeitsüberprüfung durch das Revisionsgericht findet daher nicht statt (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 2015 – VI ZR 11/14, VersR 2015, 1531 Rn. 17; vom 7. März 2006 – VI ZR 42/05, VersR 2007, 224 Rn. 11; Beschlüsse vom 5. März 2015 – IX ZB 27/14, WM 2015, 728 Rn. 12; vom 16. März 2010 – VIII ZR 341/09, NJW-RR 2011, 72 Rn. 1 f. zu § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vom 26. Juni 2003 – III ZR 91/03, NJW 2003, 2917 unter II; Stein/Jonas/Jacobs, ZPO 22. Aufl. § 545 Rn. 30; MünchKomm-ZPO/Krüger, 5. Aufl. § 545 Rn. 15; Ball in Musielak/Voit, ZPO 13. Aufl. § 545 Rn. 12). Dies gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht – wie hier – die Beurteilung der Zuständigkeit durch das erstinstanzliche Gericht bestätigt (BGH, Beschluss vom 7. November 2006 – VIII ZR 73/06, WuM 2006, 697) und die Revision zur Klärung der Zuständigkeitsfrage zugelassen hat (BGH, Beschluss vom 16. März 2010 – VIII ZR 341/09, NJW-RR 2011, 72 Rn. 2 m.w.N.; Urteil vom 7. März 2006 – VI ZR 42/05, VersR 2007, 224 Rn. 8, 11).

Ob eine Überprüfung der Zuständigkeit im Revisionsverfahren ausnahmsweise dann erfolgen kann, wenn die Entscheidung des Tatrichters auf Willkür oder einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, kann offen bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2015 – VI ZR 11/14, VersR 2015, 1531 Rn. 19; Beschlüsse vom 5. März 2015 – IX ZB 27/14, WM 2015, 728 Rn. 12; vom 7. November 2006 – VIII ZR 73/06, WuM 2006, 697). Ein derartiger Fall einer willkürlichen oder gehörswidrigen Verneinung der Zuständigkeit seitens des Berufungsgerichts liegt hier jedenfalls nicht vor.

Ohne auf einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, 103 Abs. 1 GG beruhend und im Übrigen auch rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts nicht aus § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG ergibt. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um eine Klage aus einem Versicherungsvertrag oder einer Versicherungsvermittlung handelt.

Der Begriff des Versicherungsvertrages ist im Gesetz nicht definiert (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 56). § 1 VVG bestimmt lediglich, dass sich der Versicherer mit dem Versicherungsvertrag verpflichtet, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer seinerseits ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein Versicherungsvertrag dann vor, wenn gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernommen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt. Dazu gehören allerdings nicht Vereinbarungen, die in einem inneren Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft anderer Art stehen und von dort ihr eigentliches rechtliches Gepräge erhalten. Dies ist dann der Fall, wenn die betreffende Vereinbarung mit einem anderen Vertrag, der seinerseits kein Versicherungsvertrag ist, verbunden und als unselbständige Nebenabrede dieses Hauptvertrages zu werten ist (vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1994 – I ZR 172/92, VersR 1995, 344 unter II 2 a bb; vom 24. April 1991 – VIII ZR 180/90, BB 1991, 2252 unter I; BVerwG VersR 1993, 1217 f.; 1992, 1381; 1987, 701, 702; 1980, 1013; vgl. ferner MünchKomm-VVG/Looschelders, 2. Aufl. § 1 Rn. 47 f.; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 1 Rn. 14 f.; ders. VersR 2015, 1453, 1454; Baumann in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 1 Rn. 17, 21).

Auf der Grundlage dieses auch vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Verständnisses ist es rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Parteien keinen Versicherungsvertrag geschlossen haben (zustimmend auch Schulz-Merkel in jurisPR-VersR 5/2016 Anm. 4). Durchgreifende Verstöße des Berufungsgerichts gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör liegen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor.

Die zentrale vertragliche Verpflichtung der Beklagten besteht nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts in der Vermittlung von Mietwagen. Der Kläger hat über ein Internetvergleichsportal nach Angeboten für die Anmietung eines Mietwagens für die von ihm geplante Reise gesucht. Als ein Suchkriterium hat er hierzu das Merkmal „ohne Selbstbeteiligung“ angegeben. Bei den Suchergebnissen wurde er unter anderem auf das Internetportal der Beklagten weitergeleitet, die selbst keine Fahrzeuge vermietet, sondern Verträge mit Mietwagenunternehmen vermittelt. Die Beklagte unterhält über ihre Muttergesellschaft vertragliche Vereinbarungen mit verschiedenen Mietwagenunternehmen sowie Buchungsportalen, welche es ihr ermöglichen, ihren Kunden die Vermittlung von Fahrzeugen zu günstigen Konditionen anzubieten. Diese Vermittlung des Mietwagens ist, wie sich auch aus der für den Kläger erstellten Buchungsbestätigung ergibt, Hauptleistungsverpflichtung der Beklagten. Demgegenüber stellt die Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadenfall lediglich eine unselbständige Zusatzleistung zu dieser Vermittlung des Mietwagens dar. Die Erstattung der Selbstbeteiligung bildet – anders als die Revision meint – auch nicht den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Geschäfts unter bloßem  Vorschieben der Hauptleistung der Mietwagenvermittlung (vgl. Baumann in Bruck/Möller,VVG 9. Aufl. § 1 Rn. 21).

Zwar liegt der vom Kläger zu zahlende Gesamtpreis für die Anmietung des Fahrzeugs bei lediglich 303,68 €, während eine Erstattung der Selbstbeteiligung im Schadenfall durch die Beklagte bis zu 2.500 € erfolgen kann. Dies ändert aber nichts an der wirtschaftlichen Nachrangigkeit der Erstattung der Selbstbeteiligung, da diese nur für die Fälle eingreift, in denen es überhaupt zu einem Schadenfall gekommen ist, auf dessen Grundlage der Mieter des Fahrzeugs gegenüber dem Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet ist. Hierzu kommt es auch nur dann, wenn der Mieter keine optionale Versicherung zur weiteren Reduzierung der Selbstbeteiligung beim jeweiligen Vermieter des Autos abgeschlossen hat. Die Erstattung der Selbstbeteiligung stellt gegenüber der Vermittlung des Mietwagens auch keine hiermit nicht im Zusammenhang stehende Leistung in Form eines Aliuds dar. Vielmehr ergänzt sie die vertragliche Hauptleistungspflicht der Beklagten zur Vermittlung des Mietwagenvertrages, indem sie dem Mieter die Möglichkeit eröffnet, eine mögliche Schadensersatzpflicht gegenüber dem Vermieter, mit dem die Beklagte den Vertrag vermittelt hat, zu vermeiden oder zu reduzieren. Die Erstattung der Selbstbeteiligung dient damit gerade der Erleichterung der von der Beklagten betriebenen Vermittlung eines Mietwagenvertrages.

Fehlt es aus den genannten Gründen somit schon am Abschluss eines Versicherungsvertrages, so kommt es auf die weitere Frage, ob dieser – wie das Berufungsgericht meint – überdies an der fehlenden Vereinbarung eines Entgelts scheitert, nicht mehr entscheidend an; die von der Revision erhobene Gehörsrüge geht insoweit ins Leere .“

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