Datum 14.10.2016
Category Allgemein

Hintergrund

Der Versicherungsnehmer hatte angegeben, dass Beschädigungen an seinem Fahrzeug deshalb erfolgt seien, da er einer Kollision mit einem Reh ausgewichen ist. Er war hierbei links von der Fahrbahn abgekommen und mit der linken Seite des Fahrzeugs gegen einen Baum geprallt.

Dieses Schadenereignis vom 03.11.2012 gegen 22:00 Uhr zeigte der Versicherungsnehmer am 12.11.2012 bei der zuständigen Polizeidienststelle an und bei der beklagten Kaskoversicherung erst mittels eines Formulars für die Schadenmeldung am 16.11.2012.

Der Versicherungsnehmer gab weiterhin an, dass das betreffende Reh unvorhersehbar vom rechten Fahrbahnrand zwischen den Bäumen heraus auf die rechte Fahrbahnseite gesprungen sei, er sofort abgebremst habe, wodurch sein Fahrzeug ins Schleudern gekommen und mit der linken Seite gegen einen Baum geprallt sei. Der Versicherungsnehmer geht davon aus, dass es sich hierbei um eine sogenannte Rettungshandlung handelt, die geeignet gewesen ist, einen bestehenden Unfall zu vermeiden.

Das erstinstanzliche Gericht (LG Schwerin) wies die geltend gemachten Ansprüche mit Urteil vom 28.03.2014 (AZ: 1 O 94/13) zurück, da der Versicherungsnehmer nicht bewiesen habe, dass die Beschädigungen des Fahrzeugs erfolgt seien, um einer Kollision mit einem Reh auszuweichen.

 

Aussage

Auch das OLG Rostock kommt aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der Unfalldarstellung des Versicherungsnehmers zu diesem Ergebnis und führt hierzu wörtlich aus:

„2.2. Die Klägerin hat den Ihr obliegenden Beweis für Ihre Behauptung, das Fahrzeug der Versicherungsnehmerin sei beschädigt worden, weil diese einer Kollision mit einem Reh habe ausweichen wollen, nicht zur Überzeugung des Senats erbracht.

a) Beweiserleichterungen kommen der Klägerin nicht zugute. Insbesondere sind die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln der Überzeugungsbildung in den Fällen der Behauptung des Versicherungsfalles „Diebstahl“ auf den Versicherungsfall „vermiedener Tierschaden“ nicht übertragbar (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.01.2011-5 U 356/10-, juris).

b) Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des erkennenden Richters von der Wahrheit der behaupteten Tatsache erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit von der Wahrheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, aber einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifel Schwelgen gebietet (BGH, Urteil vom 17.02.1970 – III ZR 139/67 – juris). Bloße Wahrscheinlichkeiten genügen nicht. Eine derartige Überzeugung von der Richtigkeit des behaupteten Unfallgeschehens hat sich der Senat im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bilden können.

Zwar haben sowohl die Zeugin . als auch die Zeugin . bestätigt, dass ein Reh auf der Straße gewesen sei. Die Zeugin .. hat bekundet, es sei von rechts nach links über die Straße gelaufen. Sie habe vorher ausweichen wollen und sei infolgedessen mit dem

Fahrzeug gegen einen Baum am linken Straßenrand gerutscht. Die Zeugin . hat ausgesagt, es sei etwas über die Straße gesprungen, das sie als Reh erkannt habe. Es Sei von rechts auf die Straße gesprungen und dann links zwischen den Bäumen verschwunden. Im Ergebnis sei ihre Tochter dann mit dem Pkw gegen einen Baum gerutscht. Wesentliche Widersprüche haben sich Insoweit in den Angaben der beiden Zeuginnen nicht ergeben.

Dennoch hat auch der Senat Zweifel an der Richtigkeit Ihrer Unfalldarstellung.

Hinsichtlich der Zeugin . gründen sich die Zweifel insbesondere auf den Umstand, dass sie zu Details des Unfallgeschehens keine konkreten Angaben machen konnte. Das Reh sei drei Meter von Ihr entfernt gewesen, als sie es das erste Mal gesehen habe. Gefühlt hab es richtig ins Auto hineingesehen. Allerding könne es auch sein, dass der Abstand größer als drei Meter war; genau könne sie dies nicht mehr sagen. Die gefahrene Geschwindigkeit schätze sie auf 50 km/h; es könne aber auch sein, dass sie schneller gefahren sei. Ob sie Fernlicht angehabt habe, wisse sie nicht. Was sie im darauffolgenden Gespräch mit ihrer Mutter gesagt habe, wisse sie nicht mehr. Zudem konnte Zeugin . auch gegenüber dem Senat nicht plausibel darlegen, weshalb sie den Unfall erst am 12.11.2012 bei der Polizei angezeigt hat. Der Unfall geschah an einem Samstag. Dass sie- wie die Zeugin aussagte – Ihre Verpflichtung zu einer entsprechenden Anzeige nicht gekannt habe und erst durch ihre Arbeitgeberin am darauffolgenden Arbeitstag darauf hingewiesen worden sei. erklärt allenfalls eine Verzögerung von drei bis vier Tagen, nicht aber eine solche von neun Tagen. Die Zeugin konnte auch nicht mehr erinnern, wann sie den Unfall gegenüber der Beklagten Versicherung angezeigt hat. Ausweislich der Anlage B 2 hat die Beklagte das Formular für die Schadensanzeige erst a, 16.11.2012 an die Klägerin gefaxt, was für eine sehr späte Anzeige des Unfalls auch gegenüber der Versicherung spricht.

Die Zeugin . konnte über Angaben zum Kerngeschehen hinaus ebenfalls keine Einzelheiten mehr zum Unfall, insbesondere aber zu dem Geschehen nach dem Unfall bekunden. Sie hätte sich nach dem Unfall noch kurz über das Reh unterhalten. Mehr wisse sie aber nicht mehr. Ob sie ihre Tochter nach dem Unfall nach Hause begleitet habe oder nicht, konnte die Zeugin auch nicht mehr erinner. Im Hinblick auf Ihre Aussage, dass dies der einzige Unfall ihrer Tochter gewesen sei, den sie miterlebt habe, sind diese Erinnerungslücken für den Senat nicht nachvollziehbar.

Im Ergebnis konnte sich auch der Senat – wie bereits das Landgericht – auf der Grundlage der Aussagen der Zeuginnen . und . nicht die für den Beweis nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung von der Richtigkeit des behaupteten Unfallherganges und damit für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Aufwendungen nach § 83, 82, 90 VVG bilden.“

Praxis

Gerade beim sogenannten Rettungskostenersatz bzw. beim Versicherungsanspruch im Hinblick auf einen berührungslosen Wildschaden ist die Darlegung des Versicherungsnehmers und die Beweiserbringung von größter Bedeutung.

Zweifel an der Darstellung und dem vollständigen Beweis sind immer dann angebracht, wenn Geschwindigkeits- und Entfernungsangaben zum Wild nicht kompatibel sind und wenn entsprechende Meldungen bei Polizei und Versicherung erst mehrere Tage nach dem Versicherungsereignis erfolgen.

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