Hintergrund
Der BGH befasste sich mit einem Fall, in welchem der Kläger (Eigentümer eines im August 2007 erstzugelassenen Pkw mit einer Laufleistung von ca. 212 475 km) im März 2014 plötzlich atypische Motorgeräusche feststellte. Der Wiederbeschaffungswert des Pkw lag zu diesem Zeitpunkt bei 4.000,00 €.
Hierauf wandte er sich an die Beklagte (Kfz-Werkstatt) und gab zu erkennen, er wäre nur noch an einer wirtschaftlich sinnvollen Reparatur interessiert. Hierauf untersuchte die Beklagte den Pkw und stellte einen Defekt an den Einspritzdüsen fest.
Nicht überprüft wurde allerdings, ob weitere Motordefekte vorlagen – insbesondere wurde nicht überprüft, ob ein Defekt der Pleuellager bestand. Dazu wäre es notwendig gewesen, die Ölwanne abzubauen und die Pleuelhalbschalen zu demontieren. Dies wäre mit erheblichen Kosten verbunden gewesen. Atypische Motorgeräusche rechtfertigen bei derartigen Pkw mit einer Laufleistung von mehr als 200.000 km auch die Annahme eines Defekts am Pleuellager, wenn auch dieser Defekt nicht sehr häufig ist.
Hierüber informierte die Beklagte den Kläger allerdings nicht. Sie wies ihn lediglich auf die Notwendigkeit des Austauschs der Einspritzdüsen hin. Insbesondere klärte die Beklagte nicht darüber auf, dass weitere Schadenursachen möglich seien, deren Beseitigungskosten höher lägen als der Wiederbeschaffungswert.
Hierauf beauftragte der Kläger den Austausch der Einspritzdüsen für 1.668,39 €. Bereits unmittelbar nach der Reparatur zeigte sich, dass die atypischen Motorgeräusche noch immer vorhanden waren.
Im Rahmen eines später angestrengten selbstständigen Beweisverfahrens stellte der Sachverständige fest, dass der Pleuellagerschaden bereits zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe seitens des Klägers vorhanden gewesen war.
Hierauf forderte der Kläger von der Beklagten die entrichteten Reparaturkosten in Höhe von 1.668,39 € als Schadenersatz und war vor dem AG Heilbronn (AZ: 10 C 2722/15) mit seinem Begehren erfolgreich. Das LG Heilbronn (AZ: Bi 6 S 12/16) bestätigte das Urteil und auch in der Revision unterlag der verklagte Kfz-Betrieb, welcher zur Schadenersatzzahlung verurteilt worden war.
Aussage
Der BGH bestätigte das Berufungsgericht und sah gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 BGB einen Schadenersatzanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten als gegeben an.
Schon bevor der Kläger die Beklagte mit dem Austausch der Einspritzdüsen beauftragt habe, hätte zwischen den Parteien ein Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB bestanden. Bereits bei der Anbahnung eines Vertrages hätte die Beklagte das erkennbare Interesse des Klägers, nur eine wirtschaftlich sinnvolle Reparatur zu beauftragen, erkennen und berücksichtigen müssen.
Die Beklagte habe ja auch zunächst keine Reparatur durchgeführt, sondern die Ursachen des atypischen Motorgeräusches untersucht. Gemäß § 241 Abs. 2 BGB, welcher gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch bei der Anbahnung des Schuldverhältnisses seine Anwendung findet, verpflichtet das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils.
Die Beklagte hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass für die atypischen Motorgeräusche auch alternative Ursachen in Betracht kämen, deren Beseitigung unwirtschaftlich gewesen wäre. Diese Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage bestehe bereits dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung derartiger T atsachen erwarten dürfe, welche für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung seien.
Auch über weniger häufige Alternativursachen müsse jedoch aufgeklärt werden. Nur bei völlig entfernten und deshalb vernachlässigbaren Ursachen würde anderes gelten.