Datum 02.10.2016
Category Allgemein

Hintergrund

Der Versicherungsnehmer verursachte einen Schaden an der rechten Fahrzeugseite, als er bei dem Versuch, einem Wildtier auszuweichen, die Leitplanke rechts berührte (sogenannter berührungsloser Wildschaden). Unmittelbar nach dem Schadenereignis informierte der Versicherungsnehmer die nächstgelegene Polizeistation, die am Unfallort Lackanhaftungen an der Leitplanke feststellte. Anschließend informierte der Versicherungsnehmer seine Teilkaskoversicherung, die den Versicherungsnehmer aufforderte, eine Mehrseitige Schadenmeldung auszufüllen, in der insbesondere nach Vorschäden und Reparaturen gefragt wurde. Der Versicherungsnehmer beantwortete den Fragebogen dahingehend, dass er auf mehrere Vorschäden verwies, die sämtlich instand gesetzt seien, ohne hierüber Rechnungen vorlegen zu können.

Die regulierungspflichtige Versicherung ermittelte Reparaturkosten in Höhe von ca. 10.000 €, die im weiteren Verlauf des Verfahrens der Höhe nach weitestgehend unstreitig waren. Ohne weitere Begründung verweigerte die Versicherung die Regulierung des Schadens und verwies stattdessen auf notwendige weitere Ermittlungen.

Im Auftrag der regulierungspflichtigen Versicherung wurde das Fahrzeug durch einen weiteren Sachverständigen besichtigt, der, wie es sich im Laufe des Verfahrens herausstellte – auf Betrugsdatenstände spezialisiert ist. Der Sachverständige schloss nicht aus, dass die Schäden durch Berührung mit der Leitplanke eingetreten sein können, der Sachverständige verwies jedoch darauf, dass eine Beschädigung der Motorhaube vorliegen würde und ein erheblicher Schaden rechts nicht sach- und fachgerecht instandgesetzt worden sei, was anhand der Lackschichtdicke ersichtlich sei.

Der nunmehr anwaltlich vertretene Versicherungsnehmer wies darauf hin, dass er keine Kenntnisse über die Qualität der durchgeführten Reparaturmaßnahme hat, da die Reparatur augenscheinlich korrekt durchgeführt wurde und ihm der Minimalschaden auf der Motorhaube nicht bekannt gewesen sei. Insoweit könne er hierzu keinerlei Angaben machen.

Er legte dem Versicherer ein wenige Wochen vor dem Schadenereignis erstelltes Wertgutachten vor, das erstellt wurde im Rahmen der Eigentumsübertragung des Fahrzeugs. Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständiger beschrieb den Zustand des Fahrzeugs als äußerst gepflegt und der Sachverständige wies gleichfalls auf instandgesetzte Vorschäden rechts hin.

Die regulierungspflichtige Versicherung verweigerte, letztlich unter Hinweis auf eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers aufgrund verschwiegener Vorschäden die Regulierung.

Die nunmehr erhobene Klage des Versicherungsnehmers wurde durch das Landgericht Köln mit der Begründung abgewiesen, das aufgrund der Vorschäden rechts davon ausgegangen werden müsse das der Versicherungsnehmer vorsätzlich nicht ausreichende Angaben zu Vorschäden gemacht habe.

Hiergegen wendet sich die letztlich erfolgreiche Berufung des Versicherungsnehmers.

 

Aussage

Zutreffend weist das OLG Köln darauf hin, dass der Versicherer zu beweisen hat, dass der Versicherungsnehmer unzutreffende Angaben gemacht hat.

Vorliegend hatte der Versicherungsnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug mehrere instandgesetzte Schäden auf der rechten Fahrzeugseite aufweist. Im weiteren Verfahren wurde durch den Versicherungsnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen, dass konkrete Angaben zu Art und Umfang der Schäden aufgrund des Zeitablaufes nicht gemacht werden können.

Eine Verpflichtung des Versicherungsnehmers, eine exakte Dokumentation über Art und Umfang von Schäden für das Fahrzeug zu führen, ist mit dem bestehenden Versicherungsvertrag nicht vereinbart. Mit der Angabe, dass das Fahrzeug reparierte Vorschäden aufweist, kommt der Versicherungsnehmer seinen Obliegenheiten vollumfänglich nach. Unstrittig handelte es sich um geringfügige Schäden.

Unstrittig war auch, dass die instandgesetzten Vorschäden nicht als Versicherungsschaden abgerechnet wurden, sodass auch hierüber keine Unterlagen vorhanden waren.

Die minimale Knickstelle auf der Motorhaube war dem Versicherungsnehmer nicht bekannt. Der Versicherer konnte nicht den Beweis erbringen das dem Versicherungsnehmer diese Schadstelle bekannt war, zumal auch der Sachverständige, der wenige Wochen zuvor ein Wertgutachten erstellt hatte, diesen Schaden nicht dokumentiert hat. Das Gericht wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass eine Verpflichtung des Versicherungsnehmers vor Antritt einer Fahrt das Fahrzeug nach Minimalschäden abzusuchen nicht bestehen könne.

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, seine Angaben wahrheitsgemäß zu machen, was letztlich gleichbedeutend ist mit der Aussage, dass bei fehlender Kenntnis über konkrete Schäden genau diese Mitteilung wahrheitsgemäß ist.

Aus der Lackschichtdicke, d.h. letztlich aus der Qualität der letzten Reparaturmaßnahme zu folgern, dass der Versicherungsnehmer konkrete Kenntnisse über den Umfang des Unfallschadens haben müsse, sei rein spekulativ.

Entsprechend bestätigt die Berufungsinstanz die Verpflichtung des Versicherers den Schaden vollumfänglich auszugleichen.

Praxis

Der Ablauf des Verfahrens steht exemplarisch dafür, wie groß die Gefahr ist plötzlich Teil eines Betrugsverfahrens zu sein, weil der Versicherer offenbar aufgrund weniger Besonderheiten eines Falles automatisch darauf schließt, das eine Obliegenheitsverletzung oder sogar ein Betrugstatbestand vorliegt.

Vorliegend führt über die Kombination des berührungslosen Wildschadens in Verbindung mit einer Eigentumsübertragung vom Geschäftsvermögen in das Privatvermögen, in Verbindung mit nicht konkreten Angaben zu Vorschäden, offenbar ohne weitere Überlegung zu einer Regulierungsverweigerung. Zurecht hat daher das OLG Köln darauf hingewiesen, dass auch bei einem auf dem ersten Blick ungewöhnlichen Sachverhalt, das Ergebnis nicht in der pauschalen Verweigerung der Regulierung liegen kann und auch das kumulative Vorliegen ungewöhnlicher Sachbestandsmerkmale nicht den konkreten Nachweis des Versicherers im Hinblick auf Obliegenheitsverletzungen ersetzen kann.

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