Datum 07.10.2016
Category Allgemein

Hintergrund

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall vom 02.08.2015 musste die Klägerin zur Überbrückung des Ausfalls ihres Fahrzeugs einen Ersatzwagen anmieten. Die hierfür seitens der Autovermietung berechneten Kosten wollte sie von der unfallgegnerischen Versicherung als Schaden ersetzt erhalten.

Diese berief sich auf den Fraunhofer-Marktpreisspiegel und zahlte lediglich einen Teil des Schadens.

Das AG Hagen gab der Klage weitaus überwiegend statt und sprach weitere 131,51 € Mietwagenkosten zu. Das Urteil ist nicht mehr berufungsfähig und damit rechtskräftig.

 

Aussage

Zunächst beschäftigte sich das AG Hagen mit der Wahl der richtigen Schätzgrundlage. Berücksichtige man die allgemein aufgezeigten Vor- und Nachteile sowohl des Schwacke- Automietpreisspiegels als auch des Fraunhofer-Marktpreisspiegels Mietwagen, so sei es sachgerecht, keine der beiden Listen isoliert heranzuziehen, sondern im Rahmen der dem Gericht offenstehenden freien Schätzung des angemessenen Normaltarifs gemäß § 287 ZPO auf den Mittelwert zwischen den beiden Markterhebungen abzustellen (OLG Hamm, Urteil vom 18.03.2016, AZ: 9 U 142/15; OLG Köln, Urteil vom 30.07.2013, AZ: 15 U 186/12).

Der Abzug einer Eigenersparnis von 4 % sei hierbei ausreichend. 10 % erschienen dem Gericht unangemessen hoch, da in der Regel nur eine geringere Abnutzung des Fahrzeugs anzusetzen sei. Zu sonstigen Nebenleistungen des Autovermieters führte das AG Hagen aus:

„Leistungen wie Winterreifen, Haftungsreduzierung, Zustellung und Abholung des Ersatzfahrzeugs, weiterer Fahrer, Anhängerkupplung und Navigationsgerät sind gesondert zu berechnen und in Ermangelung entsprechender Angaben bei der Fraunhofer-Liste allein nach der Nebenkostentabelle der zeitlich anwendbaren Schwacke-Liste angegebenen (Brutto-)Werte zu schätzen.“

Bezüglich der Winterreifen war das AG Hagen der Ansicht, dass es dem Autovermieter freistehe, für die notwendige Zusatzausstattung eine besondere Vergütung zu verlangen.

Sodann gewährte das Gericht einen unfallbedingten pauschalen Aufschlag auf den „Fracke- Normaltarif“ in Höhe von 20%. Zwar habe keine Eil- oder Notsituation der Klägerin vorgelegen, jedoch könne sich die Erforderlichkeit eines Unfallersatztarifs bzw. eines pauschalen Aufschlags auch aus weiteren Gründen ergeben. Als solche Gründe sah das AG Hagen die nicht zumutbare Vorfinanzierung, die nicht vorhersehbare Mietdauer, das Fehlen einer Kilometerbegrenzung und die Bereithaltung eines vergleichbaren Fahrzeugs an. Nach der Rechtsprechung des BGH komme es nicht darauf an, ob die Sonderleistungen auch tatsächlich konkret angefallen seien.

Praxis

Zwar schätzt das AG Hagen anhand eines Mittelwertes zwischen Schwacke und Fraunhofer, was durchaus zu kritisieren ist.

Inkonsequent erscheint insbesondere, dass zum einen der Mittelwert herangezogen wird, sich zum anderen das Gericht allerdings wieder bei den Nebenkosten beim Schwacke-

Automietpreisspiegel bedient, nachdem der Fraunhofer-Marktpreisspiegel solche Nebenkosten nicht ausweist. Dieser Umstand macht deutlich, dass der Fraunhofer- Marktpreisspiegel als Schätzgrundlage letztendlich ungeeignet ist.

Andererseits gewährt das AG Hagen einen pauschalen Aufschlag von 20 % auf den so ermittelten Tarif und stellt zu Recht in Übereinstimmung mit dem BGH fest, dass es hier lediglich auf allgemeine unfallbedingte Besonderheiten ankommt, welche einen pauschalen Aufschlag rechtfertigen.

Zu begrüßen ist auch die klare Aussage des AG Hagen zu den Nebenkosten. Werden derartige Zusatzleistungen angeboten und üblicherweise auch gesondert abgerechnet, wovon auszugehen ist, so kann sie der Geschädigte auch als schadenanspruchserhöhend geltend machen.

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