Datum 25.09.2016
Category Allgemein

Hintergrund

Am 08.06.2015 erlitt der Kläger gegen 16:15 Uhr auf einer Staatsstraße einen Unfall. Die Fahrerin, des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kfz verursachte diesen, die vollständige Haftung der Beklagten stand fest. Der klägerische PKW war nach dem Unfall nicht mehr fahrtüchtig und blockierte die Fahrbahn. Deshalb verbrachte ein beauftragtes Abschleppunternehmen das klägerische Kfz zu einem Reparaturbetrieb am Wohnort des Klägers, wofür 952,95 Euro berechnet wurden. Hierauf bezahlte die Beklagte vorgerichtlich lediglich 609,34 Euro, sodass die Differenz vor Gericht eingeklagt wurde. Neben der Differenz an Abschleppkosten ging es auch um ausstehende Mietwagenkosten. Das AG gab der Klage vollumfänglich statt.

 

Aussage

Bezüglich der Abschleppkosten stellte das AG fest, dass es auf den Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten ankommt. Maßgeblich sei was aus dessen Sicht zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheine. Danach hätte der Kläger davon ausgehen dürfen, dass das beauftragte ortsansässige Abschleppunternehmen Kosten im Rahmen des erforderlichen Wiederherstellungsaufwands berechne. Eine Verletzung von Schadenminderungspflicht des Klägers sei nicht erkennbar. Davon hätte man nur dann ausgehen können, wenn bereits bei der Beauftragung des Abschleppunternehmens klar hätte sein müssen, dass dieses nicht ortsübliche und angemessene Preise berechne.

Dem Kläger sei der Schaden in Form der Abschleppkosten in Höhe von 952,95 Euro zu erstatten, da der Kläger dieser Forderung des Abschleppunternehmens in voller Höhe ausgesetzt sei. Es komme auch nicht darauf an ob der Kläger selbst oder die Polizei das Abschleppunternehmen beauftragt haben. Vertraglich verpflichtet gegenüber dem Unternehmen sei jedenfalls der Kläger, da die Polizei bekanntermaßen hier nur als Erklärungsbote handele.

Auch der Kläger hätte im Übrigen das Abschleppunternehmen beauftragen dürfen ohne sich vorher nach den Preisen zu erkundigen. Ihm sei zum damaligen Zeitpunkt nicht zuzumuten gewesen Marktforschung zu betreiben nachdem das verunfallte Fahrzeug die Straße blockierte.

Der Beklagten stehe es im Übrigen frei, sich eventuelle Schadenersatzansprüche des Klägers gegenüber dem Abschleppunternehmen aus überhöhter Abrechnung abtreten zu lassen und selbst gegen dieses vorzugehen. Das AG Schwandorf stellte wörtlich fest:

„Der Kläger ist als Unfallgeschädigter jedenfalls zu schützen und hat Anspruch auf Erstattung der vollständigen Abschleppkosten.“

Praxis

Häufig wird vor Gericht verkannt, dass der Geschädigte keinen Rechnungsbetrag in Form von Sachverständigen-, Reparatur- bzw. Abschleppkosten einfordert, sondern Schadenersatz geltend macht. Prüfungsmaßstab des Gerichts ist also nicht ob ortsüblich abgerechnet wurde, sondern Prüfungsmaßstab ist, ob der geltend gemachte Betrag aus der Sicht des Geschädigten unter Berücksichtigung dessen besonderer Einsicht- und Erkenntnisfähigkeiten unter Berücksichtigung dessen besonderer Situation erforderlich war. Danach kann auch ein vermeintlich überhöhter Betrag aus der Sicht des Geschädigten noch zu ersetzen sein. Das AG setzte sich sehr sorgfältig mit der besonderen Situation des Geschädigten vor der Beauftragung des Abschleppunternehmens auseinander. Hierbei war es dem Kläger nicht zuzumuten, in der akuten Situation nach dem Unfall, Vergleichsangebote verschiedener Anbieter einzuholen. Wichtig war, dass das die Fahrbahn blockierende Fahrzeug entfernt wurde. Bezüglich der Beauftragung des konkreten Abschleppunternehmens konnte dem Kläger kein Vorwurf gemacht werden. Das Urteil des AG Schwandorf erscheint vor diesem Hintergrund konsequent und ist zu begrüßen. Es stärkt die Rechte des Geschädigten im Falle des Verkehrsunfalls.

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