Datum 22.01.2017
Category Allgemein
Auffahrunfall und Schuldfrage

Hintergrund

Der Kläger begehrt restlichen Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls und beziffert die fiktiven Reparaturkosten im Rahmen eines Sachverständigengutachtens. Das Fahrzeug des Klägers war im Unfallzeitpunkt bereits älter als drei Jahre und war nicht „scheckheftgepflegt“.

Die Beklagte verwies den Kläger im Rahmen eines Prüfberichts auf eine 16 km entfernt liegende günstigere Reparaturwerkstatt, ohne Informationen zur Gleichwertigkeit zu machen.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte vollumfänglich Erfolg.

Aussage

Das AG Frankenthal führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass der fiktiv abrechnende Geschädigte nach der Rechtsprechung des BGH zwar auf für jedermann zugängliche günstigere Stundenverrechnungssätze einer technisch gleichwertigen freien Werkstatt verwiesen werden könne.

Eine Unzumutbarkeit der Verweisung kann sich einerseits auf die Entfernung, andererseits auf die bestehenden Sonderkonditionen zwischen Werkstatt und Haftpflichtversicherung beziehen.

Der Umstand, dass es sich um eine Partnerwerkstatt handelt, mit der eine Versicherung im Rahmen der Abwicklung von Kaskoschäden dauerhaft vertraglich verbunden ist, führt allerdings für sich alleine noch nicht zu einer Unzumutbarkeit der Verweisung. Wenn der Versicherer darlegen und beweisen kann, dass die benannte freie Werkstatt für die Reparatur am Pkw des Geschädigten die allen Kunden zugänglichen Preise zugrunde legt und diese in dem Prüfbericht aufgeführt sind, so hindere eine Vereinbarung von Sonderkonditionen eine Verweisung grundsätzlich nicht.

Es kommt daher darauf an, welche Stundenverrechnungssätze der Regulierung zugrunde gelegt werden. Nur der Verweis auf vertraglich vereinbarte Sonderkonditionen ist nach der Rechtsprechung des BGH unzumutbar.

Hinsichtlich der in Frankenthal benannten Referenzwerkstatt fehlt es an der erforderlichen substantiierten Darlegung der Gleichwertigkeit, denn hier gilt nicht der erleichterte Beweismaßstab des § 287 ZPO. Weiter ist nicht ersichtlich, ob und gegebenenfalls welche Sonderkonditionen aufgrund der vertraglichen Bindung dieser freien Werkstatt, die kein Eurogarant-Betrieb ist, bestehen und mithin einen Sondermarkt darstellen.

Der Kläger braucht sich daher nicht auf die von der Beklagten genannten freien Werkstätten verweisen zu lassen und kann seiner Abrechnung daher den im Schadengutachten für erforderlich gehaltenen und nach DAT aufgrund der Herstellervorgaben berechneten Reparaturaufwand zugrunde legen.

Praxis

Das AG Frankenthal lehnt eine Verweisung auf die günstigeren Preise einer Partnerwerkstatt der Beklagten ab, weil sich der Geschädigte nicht auf einen erst vom Schädiger eröffneten Sondermarkt verweisen lassen muss. Andernfalls würde die ihm zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadenbehebung in eigener Regie eröffnet. Die Ersetzungsbefugnis soll den Geschädigten davor bewahren, die Schadenbeseitigung dem Schädiger zu überlassen. Er soll sich nicht faktisch in die Hände des Schädigers begeben müssen.

Bei einer dauerhaften vertraglichen Verbindung ist die konkrete Ausgestaltung der Kooperation entscheidend – insbesondere ob und in welchem Umfang die Preiskalkulation der Werkstatt beeinflusst ist und ob durch den Umfang der Zusammenarbeit eine Interessenkollision zu befürchten ist.

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