Datum 27.11.2016
Category Allgemein

Hintergrund

Der Kläger (Käufer eines Kraftfahrzeugs) verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen der angeblich fehlerhaften Begutachtung eines Kraftfahrzeugs gemäß § 29 StVZO.

Ein Prüfingenieur der Beklagten, eines beliehenen Unternehmens, hatte bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO durchgeführt und dabei lediglich „geringe Mängel“ festgestellt. Weder die Beklagte noch ihr Prüfingenieur hatten Kenntnis davon, dass das Fahrzeug vom damaligen Eigentümer an den Kläger veräußert werden sollte.

Der Kläger kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug noch am selben Tag nach der Hauptuntersuchung vom Voreigentümer zum Preis von 3.500.00 €. Wesentliche Bedingung für den Abschluss des Kaufvertrages war, dass das Fahrzeug nur die von der Beklagten in ihrem Prüfbericht festgestellten Mängel haben durfte.

Die Beklagte trägt vor, die amtliche Hauptuntersuchung stelle eine reine Funktions- und Sichtprüfung dar, die ausschließlich dem Erhalt der Verkehrssicherheit diene.

 

Aussage

Das LG Stuttgart entschied, dass dem Kläger keine Schadenersatzansprüche wegen der angeblich fehlerhaft durchgeführten Hauptuntersuchung zustehen.

Eine vertragliche Haftung der Beklagten kam nicht in Betracht. Eine Haftung nach den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter schied aus, weil der Beklagten unstreitig nicht bekannt war, dass der Untersuchungsbericht der Beklagten die Grundlage für den Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger sein sollte.

Eine deliktische Haftung kam ebenfalls nicht in Betracht. Die Beklagte handelte bei der Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO im Rahmen ihrer amtlichen Anerkennung, sodass die Haftung allenfalls die Körperschaft träfe, die der Beklagten die amtliche Anerkennung erteilt hat. In diesem Fall kommt nicht für jede Fahrlässigkeit eine Haftung in Betracht, vielmehr nur im Fall eines Amtsmissbrauchs.

Nur im Fall eines Amtsmissbrauchs ist eine umfassende Verantwortung des Dienstherren gegenüber einem Betroffenen zu bejahen. Die Pflicht des Beamten, sein Amt sachlich und im Einklang mit den Forderungen von Treu und Glauben sowie guter Sitte zu führen, obliegt ihm gegenüber jedem, der dadurch geschädigt werden könnte. Für die Annahme eines solchen Amtsmissbrauchs genügt jedoch nicht jede schuldhafte Pflichtverletzung.

Allerdings reicht stets ein Verhalten aus, das die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllt, wenn also der Beamte in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einen anderen vorsätzlich schädigt. Darüber hinaus kann ein Amtsmissbrauch auch bei gewissen fahrlässigen Verhaltensweisen vorliegen, was jedoch immer von den Besonderheiten des Einzelfalles abhängig ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.0.1973, AZ: III ZR 32/71; OLG Hamm, Urteil vom 17.06.2009, AZ: I-II U 112/08).

Ein solcher Amtsmissbrauch konnte hier jedoch vom Kläger nicht dargelegt werden.

Praxis

Eine Haftung nach den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter scheidet aus, weil dem Prüfingenieur in der Regel nicht bekannt sein wird, dass der Untersuchungsbericht die Grundlage für den Erwerb des Fahrzeugs durch einen Dritten sein soll. Die Hauptuntersuchung im Sinne des § 29 StVZO hat hoheitlichen Charakter und dient grundsätzlich nicht dem Schutz der Vermögensinteressen eines zukünftigen Erwerbers des Fahrzeugs. Eine Drittbezogenheit der den Prüfingenieur betreffenden Pflichten besteht lediglich im Falle eines – nachweislichen – Amtsmissbrauchs (vgl. auch LG Potsdam, Urteil vom 24.07.2015, AZ: 4 O 120/11).

Der Kläger behauptet, das Fahrzeug habe bereits vor der Übergabe eine Reihe sicherheitsrelevanter Mängel aufgewiesen, die im Rahmen der Hauptuntersuchung nicht thematisiert wurden.

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