Datum 03.01.2016
Category Allgemein

Immer wieder werden gerade von der HUK-Coburg die Sachverständigenkosten freier und unabhängiger Sachverständiger gekürzt auf das Niveau der BVSK-Honorarempfehlung oder des Gesprächsergebnisses zwischen dem BVSK und verschiedenen Versicherungen, unter anderem auch der HUK-Coburg. Bereits mehrfach wurde in diesem Blog darauf hingewiesen, dass derartige “Empfehlungen” oder “Gesprächsergebnisse” zwischen einem Sachverständigenverband und der Versicherungswirtschaft kein Maßstab sein können. Die Rechtsprechung hat reagiert. Lesen Sie den nachfolgenden Bericht.

In einem Schadensersatzprozess um restliche Sachverständigenkosten hat sich das Amtsgericht München mit Urteil vom 19.5.2010 – 345 C 8750/10 – eindeutig gegen eine Anwendung des sogenannten „Gesprächsergebnisses BVSK-HUK-Coburg 2005/2006“ ausgesprochen. Im zu entscheidenden Rechtsstreit hatte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung vorgerichtlich nur einen Teil der vom Sachverständigen berechneten Kosten für das von ihm ordnungsgemäß erstellte Schadensgutachten reguliert. Sie war der Ansicht, Maßstab für die Erstattung der geltend gemachten Sachverständigenkosten sei das von ihr vorgelegte „Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg 2005/2006“. Die darin aufgeführten Honorarbeträge seien angemessen und üblich. Das vom Sachverständigen berechnete Honorar sei unangemessen und in der Höhe nicht erforderlich. Die von der Versicherung vorgenommene Kürzung der Sachverständigenkosten war weder von dem Geschädigten noch von dem Sachverständigen zu akzeptieren.

Der Sachverständige klagte daher aus abgetretenem Recht die restlichen Sachverständigenkosten vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht München ein – und zwar mit Erfolg. Grundsatz der Schadensregulierung ist § 249 BGB. Danach ist der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag zu erstatten. Im Übrigen handelt es sich bei den Sachverständigenkosten um notwendige Rechtsverfolgungskosten, und damit um Schadensersatzpositionen des Geschädigten, die im Wege der Abtretungsvereinbarung auf den Sachverständigen übergegangen sind, so dass dieser aktivlegitimiert, d.h. geltendmachungsberechtigt, wurde. Dabei sind die vom Geschädigten ausgelösten Sachverständigenkosten aus der Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen zu beurteilen. Der Geschädigte kann vom Schädiger und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH NJW 1992, 302; BGH NJW 2005, 51; BGH DS 2006, 193 = NJW 2005, 1108; BGH DS 2005, 383 = NJW 2005, 3134). Aus der Sicht des Geschädigten war die Einschaltung des Sachverständigen zur Erstellung des Schadensgutachtens notwendig. Dementsprechend sind die vom Sachverständigen berechneten Kosten erforderlicher Herstellungsaufwand und daher in vollem Umfang von der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung zu erstatten.

Das Amtsgericht konnte und wollte sich nicht an dem von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung vorgelegten „Honorar-Gesprächsergebnis des BVSK mit der HUK-Coburg für 2005/2006“ orientieren. Es hielt die BVSK-Tabelle für eine vom Gericht nicht zu beachtende Parteierhebung. Das Gericht sah es nicht als gerechtfertigt an, eine Preiserhebung, die mit der Versicherungswirtschaft zustande gekommen ist, als Orientierungsmaßstab anzusehen. Entsprechend der BGH-Rechtsprechung (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) entschied das Amtsgericht München, dass ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar grundsätzlich als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangt werden kann. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger und seine Kfz-Haftpflichtversicherung noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen ( BGH NJW 2004, 3326; BGH DS 2007, 144). Die Höhe der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Sachverständigenkosten ist vom erkennenden Gericht nicht beanstandet worden.

Damit steht das AG München im Einklang mit dem Amtsgericht Mitte in Berlin. Das AG Berlin-Mitte hatte schon mit Urteil vom 21.7.2009 – 3 C 3091/09 – entschieden, dass der aus abgetretenem Recht klagende Sachverständige nicht verpflichtet ist, sich an die Vorgabe des Gesprächsergebnisses zwischen der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung (HUK-Coburg) und dem BVSK zu orientieren. Dieses Gesprächsergebnis zwischen BVSK und verschiedenen Versicherungen, unter anderem auch der HUK-Coburg, verpflichtet den Kläger nicht.

Auch das AG Lübeck hat mit Urteil vom 6.7.2010 – 31 C 1771/10 – entschieden, dass die Honorarempfehlung des BVSK kein Honorarmaßstab ist. Das Amtsgericht Lübeck weist dabei in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass der Geschädigte grundsätzlich nicht zur Erforschung des Sachverständigenmarktes verpflichtet ist, um einen besonders preisgünstigen Sachverständigen zu finden, der gegebenenfalls dem BVSK angehört (vgl. BGH NJW 2007, 1450, 1452; BGH DS 2007, 144, 145 m. Anm. Wortmann). Dadurch, dass der Sachverständige sein Honorar für die Erstellung des Schadensgutachtens an der Schadenshöhe bemisst, überschreitet er die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung nicht (BGH DS 2007, 144, 145). Entgegen der Auffassung der beklagten Versicherung muss sich der aus abgetretenem Recht klagende Sachverständige auch nicht an dem Sachverständigenhonorar gemäß der Empfehlung des BVSK orientieren, zumal der Kläger selbst nicht Mitglied des Vereins ist. Aber auch unabhängig von der Mitgliedschaft des Sachverständigen kann eine Honorarempfehlung keine zwingende Honorarrichtlinie darstellen(vgl. Wortmann VersR 1998, 1204, 1211).

Jüngst hat auch die Berufungskammer des LG Dortmund mit Urteil vom 5.8.2010 – 4 S 11/10 – unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des AG Dortmund vom 23.12.2009 – 417 C 9527/09 – entschieden, dass das Gesprächsergebnis der Beklagten mit dem BVSK aus dem Jahr 2007 nicht geeignet sei, die erstattungsfähigen Sachverständigenkosten darzulegen. Die Berufungskammer hat in seiner Berufungsbegründung darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Gesprächsergebnis BVSK – Versicherungen um eine Besprechung handelt, die verschiedene Versicherungsunternehmen mit dem BVSK geführt haben. Als Ergebnis wurden die als „angemessen“ erachteten Honorare in einer Tabelle zusammengefasst, die nach der Aussage des Geschäftsführers des BVSK in erster Linie als ein Prüfungsmaßstab für die Mitarbeiter der Versicherungen bei der Überprüfung von Sachverständigenkosten auf ihre „Angemessenheit“ hin dienen sollte (vgl. Fuchs SP 2008, 194). Damit dient das Gesprächsergebnis eigentlich nur der werkvertraglichen Überprüfung des Sachverständigenhonorares auf seine Angemessenheit i.S.d. § 632 BGB. Im Schadensersatzprozess kommt es aber auf werkvertragliche Gesichtspunkte nicht an (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283, 284; Wortmann NZV 1999, 414, 415; ders. DS 2009, 300). Darüber hinaus sieht die Berufungskammer des LG Dortmund das Gesprächsergebnis als Sondervereinbarung mit den Versicherungen an. Preise aufgrund von Sondervereinbarungen mit der Versicherung hat der VI. Zivilsenat des BGH mit seinem Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 – (abgedruckt in DS 2010, 28 m. Anm. Wortmann; vgl. auch den Bericht von Wortmann „Das VW-Urteil des BGH und seine Folgen – der Versuch einer Analyse“ in der Unfallzeitung) verworfen. Der Geschädigte muss sich nicht auf Preise verweisen lassen, die aufgrund von Sonderkonditionen mit der Versicherungswirtschaft zustande gekommen sind . Quelle: Captain-huk.de

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