Datum 27.11.2016
Category Allgemein

Hintergrund

Nach einem Parkvorgang stieg ein Mitinsasse der Beklagten aus dem Fahrzeug aus und mit der Beifahrertür gegen das klägerische Fahrzeug. Die Klägerin machte den Sachschaden an ihrem Fahrzeug, Sachverständigenkosten und eine Kostenpauschale klageweise geltend.

Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung war der Auffassung, dass sie für den Schadenfall nicht eintrittspflichtig sei und im Übrigen eine Haftung für die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten im Umfang von 25 % zu berücksichtigen sei.

Das erstinstanzliche Gericht (AG Ottweiler) vertrat in seinem Urteil vom 29.05.2015 (AZ: 2 C 356/14 (78)) eine andere Auffassung und gab der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Kostenpauschale statt.

Das AG Ottweiler ging davon aus, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Direktanspruch zusteht, da sich der Unfall beim Betrieb des Fahrzeugs ereignet habe. Des Weiteren entschied es, dass auch eine Mithaftung der Beklagten nicht in Betracht kommt, nachdem das klägerische Fahrzeug ordnungsgemäß geparkt gewesen sei.

 

Aussage

Das LG Saarbrücken wies die Berufung zurück und führte hierzu wörtlich aus:

„1. Zu Recht ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte als Kfz- Haftpflichtversicherer des Beklagtenfahrzeugs für den Schaden der Klägerin einzustehen hat.

a) Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 WG in Verbindung mit § 1 PfIVG deckt die Kfz- Haftpflichtversicherung den durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Schaden. Der „Gebrauch des Kraftfahrzeugs“ in diesem Sinne schließt den „Betrieb“ des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 7 StVG ein (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1977 – IV ZR 59/76, VersR 1977, 418 f.; BGHZ 75, 45 ff.; 78, 52 ff.; Beschluss vom 8. April 2008 -VI ZR 229/07 – Schaden-Praxis 2008, 338; Urteil vom 31. Januar 2012 –VI ZR 43/11, VersR 2012, 734 ff.), wozu anerkanntermaßen auch das Öffnen einer Tür beim Aussteigen aus einem Kraftfahrzeug gehört (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 -VI ZR 316/08, VersR 2009, 1641; OLG München, VersR 1966, 987; VersR 1996, 1036; KG, RuS 2011, 174; Greger/Zwickel, Haftung des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 3 Rn.129,§ 19 Rn. 11; Wussow/Fad, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kapitel 17 Rn. 86; zum Ein- und Aussteigen als Fahrzeuggebrauch vgl. nur Stiefei/Maier aaO AKB A.1.1 Rn. 26). Dass sich der Aussteigevorgang hier auf einer privaten Fläche stattgefunden hat, ändert hieran nichts (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1994- VI ZR 107/94, VersR 1995, 90; Stiefei/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AKB A.1.1 Rn. 25).

b) Anders als die Beklagte meint, muss sie auch für das Verhalten des Bruders ihres Versicherungsnehmers einstehen. Die Beklagte verkennt insoweit, dass der Klägerin ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG gegen den Fahrzeughalter selbst zusteht, dessen Risiko wiederum durch die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer gedeckt ist (vgl. AKB 2008 A.1.2).

aa) Der Versicherungsnehmer der Beklagten hat als Kfz-Halter vorliegend für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß § 7 Abs. 1 StVG einzustehen, weil der Schaden beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs entstanden ist und Umstände, die die Haftung des Halters ausschließen könnten, nicht nachgewiesen sind. Insbesondere hat die Beklagte den Unabwendbarkeitsnachweis nach § 17 Abs. 3 StVG nicht erbracht. Der Umstand, dass vorliegend ein Fahrzeuginsasse, der weder Halter noch Fahrer des Fahrzeugs war, den Unfall durch das Öffnen der Beifahrertür verursacht hat, steht dem nicht entgegen. Dies gilt schon deshalb, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Idealfahrer das Beklagtenfahrzeug so abgestellt hätte, dass ein Aussteigen auf Beifahrerseite problemlos, mithin ohne jegliche Gefährdung des daneben stehenden klägerischen Fahrzeugs, möglich gewesen wäre. Insoweit bedarf es hier auch keiner Entscheidung, ob ein besonders sorgfältiger Kraftfahrer grundsätzlich verpflichtet ist, einen Insassen vor dem Aussteigen zu besonderer Vorsicht zu mahnen (so etwa OLG München, VersR 1996, 1036; AG Frankfurt/Oder, Zfs 2002, 66).

bb) Entgegen der Auffassung der Berufung besteht auch kein Anlass für eine weitergehende Beschränkung der Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG unter teleologischen Gesichtspunkten. Denn das Risiko, das sich durch das (unvorsichtige) Türöffnen verwirklicht hat, ist typischer Bestandteil der von einem Kfz ausgehenden Betriebsgefahr und damit vom Schutzzweck der Gefährdungshaftung erfasst, unabhängig davon, ob das Öffnen der Tür durch den Halter, Fahrer oder einen sonstigen Insassen erfolgt. Der gesetzgeberische Zweck der Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StvG liegt nämlich nicht im Ausgleich für Verhaltensunrecht, sondern für Schäden aus den Gefahren – auch eines zulässigen – Kraftfahrzeugbetriebs (vgl. stellv. nur BGHZ 117, 337; Hentschel aaO § 7 StVG Rn. 1). Es ist deshalb weitgehend anerkannt, dass der Halter und dessen Kfz-Haftpflichtversicherer grundsätzlich auch für die Unfallschäden nach §§ 7 Abs. 1 StVG, § 115 VVG einzustehen haben, die ein Insasse des Fahrzeugs durch das Öffnen der Beifahrertür verursacht (vgl. OLG München, VersR 1966, 987; 1996, 1036; OLG Hamm, MDR 2000, 156 unter Gründe B.ll.1.; KG, RuS 2011, 174; LG Nürnberg-Fürth, Schaden-Praxis 1992, 92; LG Hanau, Schaden-Praxis 1992, 92; AG Köln, VersR 1988, 1079; AG Frankfurt/ Oder, Zfs 2002, 66; Wussow/Fad aaO Kap. 17 Rn. 86; Stiefei/Maier aaO AKB A.1.2 Rn. 15; Lemcke, RuS 2011, 176; vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 aaO; a.A. AG Frankfurt, Urteil vom 16. April 2014 – 31 C 1233/13 (16)).

2. Entgegen der Auffassung der Berufung findet vorliegend auch keine Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG statt. Denn die Klägerin trifft hier keine Haftung für die Unfallfolgen. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob sich das klägerische Fahrzeug im Unfallzeitpunkt noch im Betrieb befand (vgl. hierzu Hentschel aaO § 7 StVG Rn. 8 m.w.N.). Denn jedenfalls war das Unfallereignis für die Klägerin nach § 17 Abs. 3 StVG unabwendbar, nachdem sie ihr Fahrzeug ordnungsgemäß vor ihrem Anwesen abgestellt hatte und keinerlei Umstände erkennbar sind, bei denen ein Idealfahrer anstelle der Klägerin den Unfall hätte vermeiden können. Auf die Frage, ob sich der Halter des Fahrzeugs, dessen Tür geöffnet worden ist, in einem Fall wie dem vorliegenden die einfache oder die – ggfl. durch ein Verschulden (§ 14 Abs. 1 StVO) -erhöhte Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zurechnen lassen muss, kommt es danach nicht an (vgl. hierzu OLG München, VersR 1996, 1036).“

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