Datum 16.02.2017
Category Allgemein

Hintergrund

Im Verfahren vor dem OLG München ging es um die Frage, ob das Vorhandensein eines sogenannten SIS-Eintrages (Fahndungseintrag im Schengener Informationssystem) zur Annahme eines Rechtsmangels und somit zum Rücktritt vom Kaufvertrag ausreichend ist.

Weiter ging es im Fall des OLG München auch um die Unterscheidung von Sachmangel und Rechtsmangel. Des Weiteren ging es um die Auslegung der Klausel „Verkauf an Kfz-Handel, wie besichtigt ohne Garantie und Gewährleistung“ – nämlich ob diese Klausel lediglich die Geltendmachung von Sachmängeln oder auch von Rechtsmängeln ausschließt.

Aussage

Das OLG München kam als Berufungsinstanz zu dem Ergebnis, dass beim Gebrauchtwagenkauf das Vorhandensein eines SIS-Eintrages zur Annahme eines nach § 435, 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB zum Rücktritt vom Vertrag berechtigenden Rechtsmangel genügt, da der staatliche Eingriff einen den Gebrauch der Sache nachhaltig und erheblich beeinträchtigenden Umstand darstellt.

Das OLG München kam zu dem weiteren Ergebnis, dass die Gefahr eines dauerhaften Entzugs bzw. einer dauerhaften Beeinträchtigung der Kaufsache für die Annahme eines nach § 435, 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigten Rechtsmangels nicht erforderlich ist.

Schließlich kommt das OLG München auch im Wege der Auslegung dazu, dass die in einem Gebrauchtwagenkaufvertrag aufgenommene Klausel „Verkauf an Kfz-Handel wie besichtigt ohne Garantie und Gewährleistung“ insbesondere wegen der Formulierung „besichtigt“ gemäß §133, 157 BGB lediglich Sachmängel ausschließt und damit einer Rechtsmängelhaftung nicht entgegensteht.

Wörtlich führt das OLG München zu diesen Problembereichen aus:

„Der in Berufung vom Kläger wieder aufgenommene Anspruch ist – anders als die Beklagte meint- kein Anspruch auf den sog. kleinen Schadensersatz, sondern auf die Rückabwicklung des Kaufvertrages, der nach Überzeugung des Senats begründet ist, §§ 437 Nr. 2, 323 BGB.

Das streitgegenständliche Fahrzeug war durch die auf einen Eintrag der italienischen Behörden zurückgehende Ausschreibung des Pkws zur Fahndung im Schengener Informationssystem SIS, vgl. Anlage K 7, hinter BI 43d.A., mit einem Rechtsmangel behaftet, der den Kläger zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, §§ 435, 437 Nr. 2, 440, 323 I, 346 I BGB. Bereits die Existenz des SIS-Eintrags als solchem, d.h. ungeachtet der dem SIS- Eintrag zugrundeliegenden Umstände genügt für die Annahme eines Rechtsmangels, vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2015, Az. I-22 U 159/14, weil der staatliche Eingriff einen den Gebrauch der Kaufsache nachhaltig und erheblich beeinträchtigenden Umstand darstellt. Die Gefahr eines dauernden Entzugs oder einer dauerhaften Beeinträchtigung der Nutzung der Kaufsache ist hingegen nicht erforderlich. Maßgeblich ist hier, dass dem Kläger wegen des am 29.10.2009 erfolgten SIS-Eintrags, der sowohl im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bzw. des Eigentumsübergangs (31.07.2013) als auch im Zeitpunkt der Sicherstellung (23.08.2013) und der Beschlagnahme (04.08.2014) und auch im Zeitpunkt des Rücktritts (03.09.2013) fortdauerte, die kaufvertraglich geschuldete Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs über mehr als ein Jahr nicht möglich war. Auf ein Verschulden der Beklagten kommt es nicht an.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Beklagte mit ihrer Antwort vom 13.09.2013, Anlage K 6, auf die E-Mail des Klägers vom 23.08.2013 die Nacherfüllung endgültig verweigert hat, so dass es keiner weiteren Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bedurfte, §323 II Nr. 1 BGB. Auf die Ausführungen des Landgerichts im Urteil unter Ziffer II 3 e, Seite 9 ff., nimmt der Senat Bezug. Die nachhaltig ablehnende Haltung der Beklagten ergibt sich im Übrigen auch aus den weiter vom Kläger mit Anlagen K 18 und K 20 vorgelegten Schreiben der Beklagten.

Ausschlussgründe, die dem Rücktritt des Klägers entgegenstehen könnten, liegen nicht vor, §§ 442, 444 BGB. Die zwischen den Parteien vereinbarte Klausel „Verkauf an Kfz-Handel wie besichtigt ohne Garantie und Gewährleistung“ wurde vom Landgericht ohne Rechtsfehler dahingehend ausgelegt, §§ 133, 157 BGB, dass die Parteien damit nur Sachmängel ausgeschlossen haben. Soweit die Beklagte vorträgt, dass nicht nur Sachmängel, sondern auch Rechtsmängel Gegenstand von Haftungsausschlüssen sein können, so trifft dies zu, ändert aber nichts an der Beweislast der Beklagten für den Umfang des Ausschlusses und dem Grundsatz, dass Zweifel zu Lasten des Verkäufers gehen, vgl. Palandt, 74. Auflage, Rdnr. 15 zu § 444 BGB. Dass von dem hier vereinbarten Haftungsausschluss auch Rechtsmängel umfasst sein sollen, lässt sich der Klausel konkret nicht entnehmen, vielmehr legt die Formulierung „wie besichtigt“ nahe, dass nur Sachmängel umfasst sein sollen.

Der Rücktritt ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger nach Abgabe der Rücktrittserklärung das Fahrzeug am 10.04.2015 an einen Dritten verkauft hat und damit die Unmöglichkeit der Herausgabe vorsätzlich herbeigeführt hat. Nach der Streichung der §§ 351 bis 353 a.F. BGB hat der Gesetzgeber eine Entscheidung dahin getroffen, dass die Ausübung des Rücktrittsrechts bei einer vom Rückgewährschuldner zu vertretenden Unmöglichkeit kein venire contra factum proprium darstellt, vgl. Münchner Kommentar, Rdr. 13 zu § 346 BGB, Kommentierung von Gaier.

Der Anspruch des Klägers auf mängelbedingte Rückabwicklung des Kaufvertrages ist nicht verjährt, § 438 BGB. Der Kläger hat bereits kurze Zeit nach der Übergabe des Fahrzeugs (31.07.2013) seinen Rücktritt erklärt (mit Schreiben vom 03.09.2013).

Aufgrund des wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag hat sich das Vertragsverhältnis der Parteien in ein Rückgewährschuldverhältnis verwandelt, mit der Folge, dass die Parteien die bereits erbachten Leistungen gemäß §§ 346 ff. BGB rückabwickeln haben. Der Beklagte hat insoweit den vom Kläger bezahlten Kaufpreis in Höhe von 7.200,00 € zurückzugeben. Der Kläger, dem die Rückgabe des Fahrzeugs durch den am 10.04.2015 unstreitig erfolgten Weiterverkauf des Fahrzeugs nicht mehr möglich ist, hat insoweit Wertersatz in Geld zu leisten, so dass letztlich die gegenseitigen Zahlungsansprüche zu saldieren sind. Die von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärte Hilfsaufrechnung kommt nicht zum Tragen.

Bei der Ermittlung des vom Kläger zu leistenden Wertersatzes ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Verkaufs abzustellen und ferner auf den tatsächlichen Wert, nicht auf die vertragliche Wertangabe. Der Senat schätzt diesen Wert gemäß § 287 ZPO auf 4.600,00 € und legt dabei zugrunde, dass der Kläger im Juni 2013 für das Fahrzeug 7.200,00 € bezahlt hat und es ausweislich des in Kopie vorgelegten Kaufvertrags im April 2014 für 2.800,00 € verkauft worden ist. Berücksichtigt wurde ferner das Erstzulassungsdatum des Fahrzeugs, 23.07.2008, der Kilometerstand zum Zeitpunkt des Verkaufs mit 118.200 sowie die Tatsache, dass das Fahrzeug vom 23.08.2013 bis 22.09.2014 aufgrund der Sicherstellung und Beschlagnahme gestanden hat und dadurch sicher an Wert verloren hat. Wie die Beklagte unter diesen Umständen zu einem Wert von 12.400,00 € kommt (nahezu doppelt soviel als der ursprüngliche Kaufpreis), ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die mit Anlage B 1 vorgelegten Auszüge aus dem Portal mobile.de mit Werten zu Fahrzeugen mit dem gleichen Zulassungsjahr können wegen der aufgeführten besonderen Umstände hier nicht herangezogen werden. Der vom Kläger vorgelegte Kaufvertrag, hinter BI 190 d.A., erwähnt vielmehr zusätzlich einen durch Gutachten festgestellten Schaden durch Nagetierbefall. Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Umstände (eine genaue Fahrzeugausstattung, Motorisierung etc. ist unbekannt) schätzt der Senat den Wert des Fahrzeugs etwas über dem tatsächlich erzielten Verkaufspreis, aber erheblich unter dem vom Beklagten angenommenen Wert, für den es keinerlei Anhaltspunkte gibt.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Werts des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Verkaufs des ist nicht veranlasst.“

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