Datum 28.04.2017
Category Allgemein

Mitte des Jahres 2012 schlossen die Parteien einen mündlichen Kaufvertrag über einen gebrauchten Oldtimer (Rolls Royce Corniche Cabrio) zum Preis von 29.000,00 €. Nach Eingang einer vereinbarten Anzahlung erfolgte die Fahrzeugübergabe Mitte Oktober 2012 gegen Bezahlung des Restwertkaufpreises.

Als der Kläger versuchte, das Fahrzeug Ende Juli 2013 anzumelden, wurde das Fahrzeug polizeilich sichergestellt, weil es im SIS von französischen Behörden am 06.06.2012 als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Gegen beide Parteien wurden strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei eingeleitet.

Am 30.09.2013 erfolgte allerdings die Freigabe des Kraftfahrzeugs. Das zunächst eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde im November 2013 eingestellt. Nachdem in der Freigabebescheinigung des Polizeipräsidiums an den Kläger vermerkt war, dass keine Bedenken gegen eine amtliche Zulassung bestünden, wurde das Fahrzeug am 17.12.2013 auf den Kläger zugelassen.

Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wurden allerdings im Januar 2014 wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls noch bis in das Jahr 2015 an, wobei das Fahrzeug nach wie vor im SIS ausgeschrieben war.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.05.2014 erklärt der Kläger gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte ihn auf, den Kaufpreis gegen Fahrzeugrückgabe zurückzuerstatten.

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die bei Fahrzeugübergabe vorhandene und weiterhin andauernde SIS-Ausschreibung einen erheblichen Rechtsmangel darstellt. Der Beklagte stellte diesen in Abrede, weil es sich bei der SIS-Ausschreibung lediglich um ein auf Missverständnissen beruhendes vorrübergehendes Verwendungshindernis handele, da es ohnehin nur im Ausland bestünde und binnen kurzer Zeit beseitigt werden könnte.

Aussage

Ebenso wie das vorinstanzliche Gericht (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.09.2015, AZ: 3 U 192/14) sah der BGH einen Rechtsmangel, der den Kläger zum Rücktritt berechtigte. Der BGH führt hierzu wörtlich aus:

„Dem Kläger steht nach wirksamem Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 437 Nr. 2, §§ 435, 440, 323 BGB der geltend gemachte Rückgewähranspruch nach § 346 Abs. 1 BGB zu. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der bereits bei Übergabe Mitte Oktober 2012 bestehende und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (2. Mai 2014) andauernde Eintrag des Kraftfahrzeugs im SIS-Fahndungssystem einen erheblichen (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) Rechtsmangel im Sinne des § 435 Satz 1 BGB darstellt, der den Kläger zum Rücktritt berechtigte.

Nach § 435 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können.

Der Verkäufer muss daher, um seine Leistungspflicht vollständig zu erfüllen, nicht nur das materielle (Eigentums-)Recht als solches verschaffen, sondern auch dafür sorgen, dass der Käufer die Kaufsache unangefochten und frei von Rechten Dritter erwirbt und nutzen kann. Das Ziel der Rechtsverschaffung ist umfassend, damit der Käufer, wie in § 903 Satz 1 BGB für den Eigentümer vorgesehen, in die Lage versetzt wird, nach Belieben mit der Sache zu verfahren (siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 218; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 435 Rn. 8; vgl. auch Grunewald, Die Grenzziehung zwischen der Rechts- und Sachmängelhaftung beim Kauf, 1980, S. 50 f.). Ein Rechtsmangel liegt deshalb vor, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (Münch-KommBGB/Westermann, 7. Aufl., § 435 Rn. 4; BeckOK-BGB/Faust, Stand: August 2014, § 435 Rn. 6).

Hinsichtlich der rechtlichen Natur dieser individuellen Belastung kommen nicht nur dingliche Rechte eines Dritten, sondern auch obligatorische Rechte in Betracht, wenn ihre Ausübung eine tatsächliche Beeinträchtigung der Nutzung für den Käufer bedeuten, indem sie dem Rechtsinhaber ein Recht zum Besitz der Sache verschaffen (Miet- und Pachtverhältnisse betreffend: BGH, Urteile vom 2. Oktober 1987 – V ZR 105/86, NJW-RR 1988, 79 unter II 1; vom 17. Mai 1991 – V ZR 92/90, NJW 1991, 2700 unter III; vgl. auch MünchKommBGB/Westermann, aaO Rn. 7; Erman/ Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 435 Rn. 8; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 15; Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO Rn. 15).

Auch auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, können einen Rechtsmangel begründen (BT-Drucks. 14/6040, S. 217; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 18 f.; MünchKommBGB/Westermann, aaO Rn. 10; Erman/Grunewald, aaO Rn. 11). Dies gilt – in Abgrenzung zu den dem Bereich der Sachmängelgewährleistung (§434 BGB) zuzuordnenden Sachverhalten – jedenfalls dann, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen nicht Folge der (auch) einen Sachmangel begründenden nicht vertragsgemäßen Beschaffenheit der Kaufsache ist; andernfalls liegt es nahe, (nur) einen Sachmangel anzunehmen (Erman/Grunewald, aaO). Schematische Lösungen verbieten sich hierbei (Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 – VIII ZR 75/90, BGHZ 113, 106, 112).

So hat der Senat in einem Fall, in dem Hasenfleisch verkauft wurde, bei dem der begründete Verdacht der Salmonellenverseuchung bestand, einen Sachmangel bejaht, weil die Kaufsache – unabhängig davon, dass sie in Folge des Verdachts (auch) der öffentlich- rechtlichen Beschlagnahme unterlag – nicht mehr für die vorgesehene Verwendung (Weiterveräußerung) tauglich war (Senatsurteil vom 14. Juni 1972 – VIII ZR 75/71, WM 1972, 1314 unter I 3). In Abgrenzung hiervon hat der Senat dagegen entschieden (Senatsurteil vom 5. Dezember 1990 – VIII ZR 75/90, aaO S. 112 f.), dass sich ein Käufer, der Dieselkraftstoff zum Betrieb von Dieselmotoren bestellt, gegenüber dem Verkäufer mit Erfolg auf einen Rechtsmangel berufen kann, wenn in Abweichung von der Bestellung ein mit Heizöl verunreinigter Dieselkraftstoff geliefert wird; die Besonderheit dieses Falles, die zur Annahme eines Rechtsmangels führte, lag darin, dass der gelieferte Kraftstoff zwar zur vertraglich vorgesehenen Verwendung (Betrieb von Dieselmotoren) auch mit der Verunreinigung tauglich war, er aber wegen der Heizölbeimischung der Gefahr der behördlichen Beschlagnahme unterlag. Die den Käufer treffende Beeinträchtigung lag mithin nicht in der tatsächlichen Beschaffenheit der Sache, sondern darin, dass der Verkäufer dem Käufer nur Eigentum ohne rechtlichen Bestand verschaffen konnte (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1990 – VIII ZR 75/90, aaO).

Auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zieht die Grenze zwischen Sach- und Rechtsmangel in Fällen, in denen öffentlich-rechtliche Befugnisse oder Beschränkungen auf die Nutzung eines verkauften Grundstücks einwirken, in gleicher Weise. So liegt in öffentlich- rechtlichen Beschränkungen der Bebaubarkeit eines verkauften Grundstücks, die an dessen Beschaffenheit (insbesondere die Lage) anknüpfen, ein Sachmangel (BGH, Urteil vom 15. Juli 2011 – V ZR 171/10, BGHZ 190, 272 Rn. 5 mwN): Hingegen stellt etwa die Sozialbindung einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung, die von deren Beschaffenheit unabhängig ist, ebenso einen Rechtsmangel dar (BGH, Urteile vom 9. Juli 1976 – V ZR 256/75, BGHZ 67, 134, 135 ff.; vom 21. Januar 2000 – V ZR 387/98, NJW 2000, 1256 unter II 1) wie eine Veränderungssperre (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1985 – V ZR 263/83, BGHZ 96, 385, 390 f.) oder die öffentlichrechtliche Verpflichtung des Grundstückseigentümers, einen Teil des verkauften Grundstücks als Straßenbauland an die Gemeinde zu veräußern (BGH, Urteil vom 4. Juni 1982 – V ZR 81/81, NJW 1983, 275 unter II 3 b).

Dementsprechend hat der Senat die nach §111b StPO (rechtmäßig) durchgeführte Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Kraftfahrzeugs – deren allein der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche des durch die Straftat Verletzten dienende Anordnung keine Folge der Beschaffenheit des Fahrzeugs war – als Rechtsmangel angesehen und es insoweit als genügend erachtet, wenn der Sachverhalt, aufgrund dessen die (spätere) Beschlagnahme erfolgt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war (Senatsurteil vom 18. Februar 2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Diese Rechtsprechung geht zurück auf zwei Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen die rechtlichen Folgen von öffentlich-rechtlichen Beschlagnahmebefugnissen (zum einen aufgrund Verstoßes gegen Einfuhrbestimmungen [RGZ 105, 390], zum anderen aufgrund Verstoßes gegen zollrechtliche Bestimmungen [RGZ 111, 86]) zu klären waren. In beiden Fällen hat es bereits das Reichsgericht für die Annahme eines Rechtsmangels ausreichen lassen, dass bei Gefahrübergang ein Sachverhalt vorliegt, der einen staatlichen Zugriff auf die Kaufsache im Wege einer künftigen Beschlagnahmeanordnung ermöglicht (RGZ 105, 390, 391 f.; RGZ 111, 86, 88 f.). Im Anschluss daran hat auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Rechtsmangel bereits dann gegeben ist, wenn das Recht eines Dritten auch nur potentiell geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991 – V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396 unter II 2; so auch Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO Rn. 9).

Nach den vorstehend aufgezeigten Maßstäben ist (bereits) die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die Fahndungsliste aufgrund einer SIS-Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen (so auch die einhellige Auffassung der Oberlandesgerichte; vgl. OLG Köln NJW- RR 2014, 1080; OLG Düsseldorf vom 20. Februar 2015 – I-22 U 159/14, juris; OLG München, Urteil vom 2. Mai 2016 – 21 U 3016/15, juris). Zwar handelt es sich bei dem Schengener Informationssystem (nur) um eine interne Datenbank der Sicherheitsbehörden des Schengen-Raumes, mit der – anders als bei einer bereits vollzogenen behördlichen Beschlagnahme oder Sicherstellung – noch kein unmittelbarer Eingriff in Form des Entzugs der Sache verbunden ist. Die Eigenart der auf einem internationalen Abkommen beruhenden SIS-Sachfahndung gebietet es jedoch, bereits die Eintragung als solche und nicht erst eine daraufhin erfolgende Beschlagnahme oder Sicherstellung als Rechtsmangel einzuordnen. Denn bereits die Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dieses Fahndungssystem ist für den Käufer mit der Gefahr einer erheblichen Nutzungsbeeinträchtigung verbunden und führt damit zu einer individuellen Belastung, die geeignet ist, den Käufer in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen.

Die SIS-Ausschreibung hat ihre rechtliche Grundlage in dem Beschluss 2007/533/JI des Europäischen Rats vom 12. Juni 2007 über die Errichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II; ABl. L 205/63). In Art. 38 Abs. 1, 2 Buchst. a dieses Beschlusses ist geregelt, dass Daten in Bezug auf Kraftfahrzeuge, die zur Sicherstellung oder Beweissicherung in Strafverfahren gesucht werden, in das Fahndungssystem eingegeben werden können. Wird das gesuchte Fahrzeug aufgefunden, wird dem aufgreifenden Mitgliedsstaat in Art. 39 Abs. 3 des Beschlusses aufgegeben, Maßnahmen nach Maßgabe seines nationalen Rechts zu ergreifen.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die SIS-Ausschreibung eines Kraftfahrzeugs mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs, einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt wird und das Fahrzeug daraufhin behördlicherseits – nach den jeweiligen Rechtsvorschriften des Landes, in dem es aufgefunden wird – rechtmäßig sichergestellt oder beschlagnahmt wird, wie es auch im vorliegenden Fall Mitte des Jahres 2013 für die Dauer von mehreren Monaten geschehen ist.

Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Einordnung als Rechtsmangel unerheblich, dass der streitgegenständliche Pkw hier nach der Sicherstellung in Düsseldorf von der dortigen Polizei wieder freigegeben wurde und der Kläger das Fahrzeug anschließend zum Straßenverkehr zulassen konnte. Denn die Ausschreibung besteht nach wie vor, weil ungeachtet der schon länger andauernden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bisher nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Pkw dem (früheren) französischen Eigentümer abhandengekommen oder er Gegenstand eines Versicherungsbetruges gewesen ist; auch das – zwischenzeitlich für kurze Zeit eingestellte – Ermittlungsverfahren gegen beide Parteien dauerte jedenfalls bis in das Jahr 2015 hinein an.

Die SIS-Ausschreibung erschöpft sich deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht in einem vorübergehenden Zulassungshindernis. Denn die durch die Eintragung begründeten Zugriffsmöglichkeiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden des Schengen-Raums bestehen fort, solange die Eintragung nicht beseitigt ist. Damit kann der Kläger, selbst wenn er – was angesichts der ungeklärten Historie des Fahrzeugs offen ist – Eigentümer des Fahrzeugs geworden sein sollte, gerade nicht, wie in § 903 Satz 1 BGB vorgesehen, unbelastet von (Zugriffs-)Rechten Dritter nach Belieben mit der Kaufsache verfahren. Denn sobald er das Fahrzeug im öffentlichen Raum bewegt, muss er damit rechnen, dass dieses, je nach Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden, erneut beschlagnahmt wird. Dies wäre für den Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht nur mit einem Verlust der Nutzungsmöglichkeit für einen nicht ohne weiteres abzusehenden Zeitraum, sondern mit Blick auf die zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes erforderlichen Anstrengungen auch mit erheblichen weiteren Nachteilen – insbesondere bei einer Sicherstellung im Ausland – verbunden.

Darüber hinaus ist die Verkäuflichkeit des Pkw durch die Eintragung stark beeinträchtigt; denn der Kläger wäre redlicherweise gehalten, einen potentiellen Käufer über die nach wie vor bestehende Ausschreibung aufzuklären. Diese gravierenden Folgen rechtfertigen es, bereits die aufgrund behördlicher Verfügung erfolgte SIS-Ausschreibung als einen – im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB erheblichen – Rechtsmangel anzusehen.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass vorliegend der Grund der Eintragung des Fahrzeugs in das SIS in dem ungeklärten Eigentumsherausgabeanspruch eines Dritten besteht, der durch seine Diebstahlsanzeige das Ermittlungsverfahren initiiert hat. Zwar trifft es zu, dass ein nur behaupteter Anspruch eines Dritten einen Rechtsmangel nicht begründen kann (BTDrucks. 14/6040 S. 217), sondern es eines tatsächlich bestehenden Rechts eines Dritten bedarf, um einen Rechtsmangel annehmen zu können (BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 8). Die den Käufer im Streitfall unmittelbar treffende individuelle Belastung ist jedoch nicht in dem ungeklärten Eigentumsherausgabeanspruch zu sehen, sie liegt vielmehr in den durch die Eintragung eröffneten Zugriffsmöglichkeiten staatlicher Behörden auf die Kaufsache.

Dass die Eintragung – solange das Ermittlungsverfahren nicht abgeschlossen beziehungsweise die Eigentumslage nicht geklärt ist – auf einer sich auf die Diebstahlsanzeige gründenden „Vermutung“ beruht, ist für die Annahme des Rechtsmangels unerheblich (vgl. auch Erman/Grunewald, aaO Rn. 12). Vielmehr hat der Gesetzgeber insoweit auch Fallgestaltungen für denkbar gehalten, in denen der Verkäufer dafür einsteht, dass Dritte keine Rechte geltend machen, und er etwaig erhobene Ansprüche abzuwehren hat (BT-Drucks. 14/6040, S. 218). Darum geht es auch hier. Denn es versteht sich bei einem Kraftfahrzeugkauf von selbst, dass der Verkäufer als Teil seiner Erfüllungspflicht ein Fahrzeug zu verschaffen hat, das problemlos zur Straßenverkehrszulassung gebracht und ohne Sorge vor behördlicher Beschlagnahme im In- und Ausland benutzt werden kann.

Der am 2. Mai 2014 erklärte Rücktritt ist – entgegen der Auffassung der Revision – auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil es der Kläger versäumt hätte, dem Beklagten zuvor eine nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) zu  setzen. Denn das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen und unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden Umstände des Streitfalls jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass es hier einer Fristsetzung zur Nacherfüllung vor Erklärung des Rücktritts nicht bedurfte.

Allerdings ergibt sich die Entbehrlichkeit der Fristsetzung vorliegend nicht, wie das Berufungsgericht meint, aus § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des Senats sind, was auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (st. Rspr.; zuletzt Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 226/14, NJW 2015, 3455 Rn. 33 mwN).

Ob ein Verkäufer die Nacherfüllung endgültig und ernsthaft verweigert hat, unterliegt zwar der tatrichterlichen Würdigung (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 226/14, aaO Rn. 34 mwN); diese ist jedoch revisionsrechtlich darauf überprüfbar, ob der Tatrichter von den zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und alle Umstände des Falles, insbesondere das gesamte Verhalten des Verkäufers, berücksichtigt hat (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 226/14, aaO).

Das Berufungsgericht hat den bereits in der Klageerwiderung gehaltenen und in der Folgezeit beibehaltenen Vortrag des Beklagten, er sei nicht passiv legitimiert, sowie das prozessuale Bestreiten eines Mangels dahin gewürdigt, der Beklagte habe die Erfüllung endgültig und ernsthaft verweigert. Damit hat es in Abweichung von höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätzen die Anforderungen an eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung zu niedrig angesetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann aus dem bloßen Bestreiten von Mängeln nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – die das Berufungsgericht hier nicht festgestellt hat – auf eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2015 – VIII ZR 226/14, aaO). Gleiches gilt für die Behauptung, nicht passivlegitimiert zu sein.

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass eine Fristsetzung hier nach § 440 Satz 1 BGB entbehrlich war, weil es dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Rücktritts nicht zuzumuten war, sich noch auf eine Nacherfüllung (Beseitigung der SIS- Eintragung bei den französischen Behörden) durch den Beklagten einzulassen. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt – nach wie vor – sowohl der Verdacht eines durch den französischen Eigentümer begangenen Versicherungsbetruges als auch eines zu dessen Nachteil begangenen Diebstahls im Raum stand und die im Zeitpunkt des Rücktritts (2. Mai 2014) seit mehr als 18 Monaten andauernden Ermittlungsmaßnahmen der Polizei den Sachverhalt nicht hatten klären können. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen nicht zuzumuten war, noch abzuwarten, ob der Beklagte in absehbarer Zeit etwas würde erreichen können, was den Ermittlungsbehörden bisher nicht gelungen war, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

Vergeblich rügt die Revision, das Berufungsgericht habe in diesem Zusammenhang entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten nicht gewürdigt. Der Beklagte, so die Revision, habe vorgetragen, er sei seit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens am 13. November 2013 bis zum Erhalt der Rücktrittserklärung im Mai 2014 von einer Aufklärung der Angelegenheit ausgegangen, auch Versicherungsgesellschaft mitgeteilt Versicherungsbetrug oder einen Beibehaltung der Ausschreibung könne nur auf einem Missverständnis beruhen, denn die französischen Ermittlungsbehörden hätten von der Versicherung die unzutreffende Auskunft erhalten, das Fahrzeug sei noch nicht gerichtlich freigegeben und die Ermittlungen in Deutschland seien noch nicht abgeschlossen. Er, der Beklagte, hätte die Möglichkeit gehabt, über das Landeskriminalamt oder das Bundeskriminalamt oder durch entsprechenden Nachdruck bei der Kriminalpolizei in Düsseldorf auf die Löschung des SIS-Eintrags hinzuwirken und hätte dies wohl auch erreicht.

Diese Umstände sind indes nicht geeignet, die Würdigung des Berufungsgerichts zur Unzumutbarkeit der Nacherfüllung in Frage zu stellen. Denn bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es maßgeblich auf den Erkenntnisstand des Klägers als Käufer im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an. Aus dessen Sicht war es aber am 2. Mai 2014 entscheidend, dass es – wie bereits ausgeführt – in einem nach Übergabe des Fahrzeugs verstrichenen Zeitraum von 18 Monaten nicht einmal den strafrechtlichen Ermittlungsbehörden gelungen war, den Sachverhalt aufzuklären. Der Hinweis des Beklagten auf die Einstellung der Ermittlungen am 13. November 2013 liegt neben der Sache. Denn die – von den deutschen Behörden geführten – strafrechtlichen Ermittlungen wurden nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision auch nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kurz nach deren Einstellung – auch gegen den Beklagten – wieder aufgenommen und dauerten jedenfalls bis in das Jahr 2015 noch an. Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass es dem Kläger unter diesen Umständen im Mai 2014 nicht zumutbar war abzuwarten, ob der Beklagte nunmehr (erfolgreich) versuchen könnte, den Sachverhalt in absehbarer Zeit doch noch aufzuklären und eine Löschung des Eintrags zu erreichen, ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.“

Praxis

Das BGH-Urteil setzt sich lesenswert mit den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Rechtsmangels auseinander; des Weiteren enthält es lehrbuchhafte Ausführungen zur Entbehrlichkeit bzw. Zumutbarkeit einer Nacherfüllungsfrist.

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