Datum 16.02.2017
Category Allgemein

Hintergrund

Die Klägerin (Einzugsstelle mit Inkassoerlaubnis nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG für u.a. Sachverständigenhonorare) begehrte von dem beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht den Ersatz restlicher Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall.

Der Geschädigte hatte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Schadenhöhe beauftragt und bestehende Schadenersatzansprüche in Höhe der Gutachterkosten formularmäßig erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten. Das Auftragsformular mit der Überschrift „Abtretung und Zahlungsanweisung“ enthielt den nachfolgenden Text:

„Zur Sicherung des Sachverständigenhonorars in der o.g. Angelegenheit trete ich meine Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs zzgl. Fremdkosten einschließlich der Mehrwertsteuer des SV für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber an den SV ab. Die Abtretung erfolgt in der Reihenfolge: Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfallentschädigung, Nebenkosten, Reparaturkosten. Dabei wird eine nachfolgende Position nur abgetreten, wenn die zuvor genannte Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken. Sollte die Abtretung der Ansprüche den tatsächlichen Honoraranspruch übersteigen, erfolgt die Abtretung dergestalt, dass hinsichtlich der zuletzt abgetretenen Anspruchsposition ein erstrangiger Teilbetrag in Höhe des restlichen Sachverständigenhonorars abgetreten wird. “

Unter der Überschrift „Weiterabtretung zur Geltendmachung an die Verrechnungsstelle“ in demselben Formular bot der Sachverständige der Klägerin die vorstehend vereinbarte Forderung inklusive aller Nebenrechte und Surrogate zur Abtretung an. Dieses Abtretungsformular wird in vergleichbarer Form in einer Vielzahl von Fällen auch von anderen Kunden der Klägerin im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Klägerin verwendet.

Die Beklagte hatte die Sachverständigenkosten nur teilweise reguliert und die Zahlung des Restbetrages von 80,67 € abgelehnt, welcher Gegenstand der Klage ist. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehr weiter.“

Aussage

Das Berufungsgericht (LG Bonn, Urteil vom 29.07.2015, AZ: 5 S 20/15) ging davon aus, dass die Klägerin keinen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung der geltend gemachten weiteren Sachverständigenkosten habe, da es ihr an der erforderlichen Aktivlegitimation fehle.

Der erkennende Senat stellte fest, dass es dahinstehen könne, ob die Aktivlegitimation der Klägerin mit den Erwägungen des Berufungsgerichts zur fehlenden Bestimmtheit der Abtretung der Schadenansprüche an den Sachverständigen verneint werden kann. Die fragliche Abtretungsklausel ist nämlich bereits gemäß § 305 c Abs. 1 BGB wegen ihres überraschenden Charakters nicht Vertragsbestandteil geworden. Eine Weiterabtretung an die Klägerin konnte daher nicht erfolgen.

Auf die unstreitig formularmäßige Klausel zur Abtretung von Schadenersatzforderungen des Geschädigten an den Sachverständigen sind die Regelungen zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff BGB anwendbar.

Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat einen überraschenden Inhalt im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises.

Nach diesen Grundsätzen ist die Klausel überraschend. Eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars weicht deutlich von den Erwartungen des Vertragspartners ab und braucht von ihm bei der Beauftragung auch nicht in Betracht gezogen zu werden.

Der durchschnittliche Geschädigte rechnet nicht damit, dass durch die Abtretung eine Risikoverlagerung zu seinen Lasten im Hinblick auf die Geltendmachung des Honoraranspruchs erfolgt und die Durchsetzung seiner weiteren, nicht die Sachverständigenkosten betreffenden Schadenersatzforderungen verkürzt werden könnte.

Es droht insbesondere die Gefahr, dass der Haftpflichtversicherer die Berechtigung der Honorarforderung des Sachverständigen nicht gerichtlich klärt, sondern stattdessen den für überschießend erachteten Teil des geltend gemachten Honorars mit den weiteren, dem Sachverständigen abgetretenen Ansprüchen (wie z.B. Wertminderung oder Nutzungsausfall) verrechnet.

Solche möglichen Risiken der Abtretungsklausel weichen von den Erwartungen des durchschnittlich, juristisch nicht vorgebildeten Geschädigten deutlich ab. Der Geschädigte ist – für den Sachverständigen erkennbar – an einer möglichst schnellen, unkomplizierten und risikolosen Abwicklung des Schadenfalls interessiert.

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