Datum 14.10.2016
Category Allgemein

Hintergrund

Am 08.12.2012 erlitt die Klägerin unverschuldet einen Verkehrsunfall und mietete deshalb einen Ersatzwagen an. Die hierfür berechneten Kosten in Höhe von 4.573,11€ netto verlangte sie von der Beklagten (Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners) als Schadenersatz.

Dass die Beklagte für die unfallbedingt eingetretenen Schäden haftet, stand dem Grunde nach fest. Die Beklagte kürzte die Mietwagenkosten der Höhe nach und bezahlte lediglich 1.745,85 €.

Die Klägerin klagte vor dem LG Gießen und erhielt weitere 1.595,16 € zugesprochen. Das LG bezog sich auf den Fraunhofer-Marktpreisspiegel und war der Ansicht, dass der konkret berechnete Betrag mehr als doppelt so hoch wie der Vergleichswert nach Fraunhofer gewesen sei. Die Klägerin hätte sich also nach günstigeren Vergleichsangeboten umsehen müssen.

Gegen das Urteil legte die Klägerin vor dem OLG Frankfurt/Main die Berufung ein und obsiegte weitaus überwiegend.

 

Aussage

Das OLG Frankfurt/Main bestätigte die Möglichkeit des Gerichts, den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

Sodann hielt es der Senat für sachgerecht, zur Ermittlung des Normaltarifs den Schwacke- Automietpreisspiegel heranzuziehen. Diese Schätzgrundlage erachtete der Senat als dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel überlegen.

Auch der Schwacke-Automietpreisspiegel habe Nachteile. Diesem allgemeinen Nachteil stünden allerdings Nachteile der Fraunhofer-Liste entgegen, die in der geringeren Zahl der einbezogenen Anbieter, der Auswertung vor allem internetbasierter Angebote und der bei den Testangeboten zugrunde gelegten Vorbestellungsfrist von einer Woche bestünden.

Weiter führte das OLG wörtlich aus:

„Im Hinblick auf die Lage des Geschädigten, dem nach Auffassung des Senats auch bei Einholung von Vergleichsangeboten bei Anwendung der Fraunhofer-Liste wesentlich häufiger das Risiko, auf erheblichen Teilen der Mietwagenkosten sitzen zu bleiben, droht, hält es der Senat aber für zweckmäßig, ein Tabellenwerk anzuwenden, das nicht primär nur die Internet- Angebote der größten Autovermieter berücksichtigt, sondern auch die auf dem regionalen Markt, in kleineren Städten und Gemeinden bzw. im ländlichen Raum und gerade bei der Inanspruchnahme eines Mietwagens nach einem Unfall relevanten lokalen Anbieter berücksichtigt. Der Senat hält es auch für erheblich, dass über das Internet buchbare Angebote nicht von allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten in gleicher Weise geschätzt und in Anspruch genommen werden und gegenüber einer Bezahlung mittels online-banking oder Kreditkarte teilweise auch Vorbehalte bestehen. Zum Schutz der Geschädigten ist die Orientierung an dem Schwacke Preisspiegel auch deshalb sachgerecht, weil sonst der Geschädigte einseitig das Risiko einer unzulänglichen Entschädigung trägt.“

Das OLG Frankfurt/Main setzte sich auch mit der Rechtsprechung des OLG Celle (Urteil vom 29.02.2012, AZ: 14 U 49/11) auseinander, nach welcher die erforderlichen Mietwagenkosten anhand eines Mittelwertes zwischen Schwacke und Fraunhofer zu ermitteln seien. Diese Art der Schadenschätzung hielt der Senat für nicht zweckmäßig. Hierzu das OLG Frankfurt/Main:

„Diese Lösung zwingt dazu, den maßgeblichen Wert aus beiden Tabellen zu ermitteln, und erfordert einen zusätzlichen Rechenschritt. Das Oberlandesgericht Hamm (aaO.) meint, damit sei nur „etwas Mehraufwand“ verbunden. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts Celle in dem oben genannten Urteil (Rdn. 30 – 72) zeigen aber, dass bei der Anwendung jedes Tabellenwerks noch weitere Einzelpunkte problematisch werden können, die keineswegs jeweils einheitlich für beide Listen beantwortet werden können, sondern weitere Überlegungen erfordern. Da die Fraunhofer-Liste für einzelne Zusatzkosten die üblichen Preise nicht aufführt, führt auch dies zur Verwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels. Außerdem gibt die „Fracke“-Lösung die von beiden Tabellenwerken grundsätzlich beanspruchte Orientierung an empirisch ermittelten, tatsächlich vorkommenden Preisen auf und legt mit dem arithmetischen Mittel regelmäßig Preise zugrunde, die weder in der Schwacke-Erhebung noch in der Umfrage des Fraunhofer-Instituts in dieser Form festgestellt worden sind.”

Praxis

Das OLG Frankfurt/Main bestätigt nicht nur mit klaren Worten den Schwacke- Automietpreisspiegel als geeignete Schätzgrundlage, sondern lehnt darüber hinaus den Fraunhofer-Marktpreisspiegel als Schätzgrundlage mit nachvollziehbarer Begründung ab.

Auch den Ausführungen zu einer Schadenschätzung anhand Fracke ist hier zuzustimmen. Diese Methode der Schadenschätzung ist weder wissenschaftlich noch sachgerecht.

Zu begrüßen ist auch, dass das OLG Frankfurt/Main die Lage des Geschädigten betont und dessen Schwierigkeiten aufzeigt, zu T arifen anzumieten, wie sie der Fraunhofer- Marktpreisspiegel ausweist. Der Schädiger-Versicherung stünde es ja frei, konkrete günstigere Angebote zu unterbreiten, wenn diese denn tatsächlich zugänglich wären.

Auch nach der Entscheidung des BGH vom 26.04.2016 (AZ: VI ZR 563/15), welche sich mit der Verbindlichkeit von günstigeren Mietwagenangeboten seitens der Versicherer auseinander setzte, wird in der Mietwagenrechtsprechung wohl immer mehr von Bedeutung sein, ob dem Geschädigten seitens der gegnerischen Versicherung vor der Anmietung eines anderen Ersatzwagens günstigere Anmietmöglichkeiten aufgezeigt worden sind.

Hierbei ist allerdings noch die Frage zu klären, um welche Angebote es sich handeln muss. Die Taktik der Versicherer in diesem Fall ist, häufig Angebote zu vermitteln, bei denen die Tarife überhaupt nicht bekannt gegeben werden. Die Abrechnung findet unmittelbar mit der Schädiger-Versicherung statt. Es handelt sich allerdings dann nicht um Tarife des freien Marktes, welche dem Geschädigten unmittelbar zugänglich sind.

Diese Tarife dürften auch nicht betriebswirtschaftlich gebildet worden sein. Derartige Tarife können unseres Erachtens weder dazu führen, dass dem Geschädigten ein Verstoß gegen Schadenminderungspflichten vorgeworfen werden kann, noch dazu, dass behauptet werden kann, der Geschädigte hätte sich wirtschaftlich unvernünftig verhalten.

Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich bleibt abzuwarten. Die Entscheidung des OLG Frankfurt/Main stärkt jedenfalls die Rechte des Geschädigten und bestätigt den Schwacke-Automietpreisspiegel.

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