Beilackierung – warum angrenzende Teile mitlackiert werden müssen

Nach einem Lackschaden – etwa durch Steinschlag auf der Motorhaube, einen Rangierfehler an der Stoßstange oder einen Unfallschaden – reicht eine reine Teillackierung oft nicht aus, um den Farbton unsichtbar an den Alt-Lack anzupassen. In vielen Fällen ist eine Beilackierung angrenzender Karosserieteile technisch erforderlich. Gerade hier kürzen Versicherer gerne Positionen in Kfz-Gutachten oder Kostenvoranschlägen. Dieser Beitrag erklärt, was Beilackierung ist, wann sie nötig wird, welche Kosten entstehen und wie Sie sich bei Streit mit der Versicherung wehren können.

Kurze Definition: Was ist Beilackierung?

Unter Beilackierung versteht man die Übergangslackierung angrenzender Bauteile, um nach einer Reparaturlackierung einen unsichtbaren Farbtonübergang zum vorhandenen Alt-Lack herzustellen. Typische Beispiele sind:

  • nach Reparatur eines Kotflügels das Türblatt beilackieren,
  • nach Schaden an der Stoßstange benachbarte Kotflügel oder Seitenteile beilackieren,
  • bei Perleffekt-, Dreischicht- oder Metallic-Lacken angrenzende Paneele „ausnebeln“,
  • Farbtonangleich bei Kunststoffteilen (Stoßfänger, Zierleisten) im Vergleich zu Metallteilen.

Die Beilackierung ist keine „Luxusmaßnahme“, sondern oft technisch erforderlich, damit nach der Reparatur keine sichtbaren Farbtonunterschiede, „Wolken im Lack“ oder harte Klarlackkanten auftreten. Viele BGH-Urteile zur Beilackierung bestätigen, dass diese Arbeiten bei fachgerechter Lackierung in die Schadenkalkulation gehören.

Warum ist Beilackierung so häufig nötig?

Moderne Fahrzeuglacke – gerade Metallic- oder Perleffekt-Lacke, Dreischichtlack oder matte Lacke – sind empfindlich gegenüber kleinsten Abweichungen bei Farbton, Schichtdicke, Spritztechnik und Trocknung. Selbst mit digitaler Farbtonmessung und Farbton-Scannern lässt sich der Serienfarbton nur annähern. Gründe für Beilackierung sind unter anderem:

  • unterschiedliche Alterung von Fabriklack vs. Nachlack,
  • abweichende Lichtbrechung bei Kunststoff vs. Metall,
  • unterschiedliche Lackschichtdicken (Lackschichtdickenmessung!),
  • optisch störende harte Übergänge ohne „Auslaufzone“,
  • Farbunterschiede bei Standardfarben wie Weiß, Schwarz oder Silber durch Politur, Waschanlagen oder Witterung.

Der Lackierer mischt den Reparaturlack zwar nach Herstellerangaben und VOC-Vorgaben (VOC-Lacke), passt den Farbton aber erst durch Probespritzungen und digitale Farbmischung an das Fahrzeug an. Um Unterschiede im Verlauf von Metallic-Partikeln oder Perlpigmenten auszugleichen, wird der Lack auf das Nachbarteil „gezogen“ und dort mit einem Klarlack-Übergang auslaufend „vernebelt“. Genau dieser Vorgang ist die Beilackierung.

Praxis-Hinweis:
Eine fehlende Beilackierung führt häufig zu sichtbaren Farbtonunterschieden und damit zu Problemen bei der Fahrzeugbewertung oder bei der Rückgabe eines Leasingfahrzeugs. Wird die Beilackierung von der Versicherung abgelehnt, kann ein unabhängiger Kfz-Gutachter und ein Verkehrsanwalt helfen, die technischen Notwendigkeiten durchzusetzen.

Beilackierung in der Schadenkalkulation und im Gutachten

In einem professionellen Schadengutachten wird die Beilackierung als eigene Arbeitsposition ausgewiesen, etwa „Kotflügel instand setzen und lackieren, Türblatt beilackieren“. Wichtig ist:

  • Beilackierung im Kfz-Gutachten klar benennen und begründen („Beilackierung technisch erforderlich zur Farbtonangleichung“).
  • Angabe, welche Teile genau beilackiert werden (z. B. Stoßfänger vorne, rechter Kotflügel, Tür vorne rechts).
  • Ein- und Ausbauarbeiten (Leuchten, Zierleisten, Türgriffe) gesondert kalkulieren.
  • Hinweis, dass eine reine Politur oder Smart Repair hier nicht ausreicht.

Versicherer kürzen die Position „Beilackierung“ häufig mit der Begründung, sie sei „angeblich unnötig“ oder Smart-Repair würde genügen. Gerade bei Perleffektlack, Dreischichtlack oder Effektlack ist diese Argumentation regelmäßig nicht haltbar. Die Rechtsprechung zur Beilackierung erkennt an, dass der Geschädigte Anspruch auf eine fachgerechte Lackierung nach Herstellervorgaben hat.

Typische Konstellationen für Beilackierung – Übersicht

Die folgende Tabelle zeigt typische Fälle, in denen Beilackierung im Gutachten auftaucht, wie Werkstätten diese technisch begründen und wo es in der Regulierungspraxis häufig zu Streit kommt.

Schadenbild / Fahrzeugteil Beilackierung fachlich sinnvoll? Auswirkungen auf Kosten & Regulierung Hinweise aus der Praxis
Frontschaden mit Steinschlag und Delle
(Motorhaube, Stoßfänger vorne)
Metallic / Perleffekt
Häufig ja: Motorhaube wird voll lackiert, Kotflügel und Stoßfänger werden beilackiert, um Farbtonverlauf und Effektpigmente harmonisch anzugleichen. Kosten Beilackierung erhöhen den Gesamtbetrag, sind aber Bestandteil einer fachgerechten Lackreparatur. Versicherer kürzen hier besonders häufig. Gute digitale Farbtonmessung und Vorarbeiten (Reinigung, Schleifen, Abkleben) entscheidend. Im Gutachten klar als „notwendige Beilackierung“ deklarieren.
Seitenschaden: Kotflügel und Tür vorn
Seitenübergang
Meist ja: Wird nur der Kotflügel lackiert, droht ein harter Übergang an der Spaltkante. Tür beilackieren sorgt für unsichtbaren Farbverlauf. Ohne Beilackierung sichtbar unterschiedliche Helligkeit oder „Wolken im Lack“. Später kann dies bei Gebrauchtwagen-Aufbereitung als Qualitätsmangel gelten. Bei Leasingfahrzeugen kann fehlende Beilackierung zu Nachbelastungen führen. Gutachten und Werkstattrechnung aufbewahren.
Stoßfänger aus Kunststoff
Kunststoff vs. Metall
Oft ja: Kunststoff-Stoßstange lackieren, angrenzende Metallteile (Kotflügel, Heckklappe) beilackieren, da Kunststoffteile Farbe anders „schlucken“. Farbtonabweichungen zwischen Kunststoff und Metall sind ohne Beilackierung fast unvermeidlich. Versicherer sehen hier gerne Einsparpotenzial. Im Gutachten auf „Farbtonunterschiede Kunststoffteile“ hinweisen; Lackschichtdickenmessung vor und nach Reparatur dokumentieren.
Mattlack, Spezial- oder Dreischichtlack
aufwendige Lackierung
In der Regel ja: Bei Mattlack, Dreischichtlack, Perleffekt ist eine Übergangslackierung fast immer erforderlich. Höherer Material- und Zeitaufwand, strengere VOC-Vorgaben, dadurch deutlich höhere Lackierarbeiten-Kosten. Auf „Beilackierung matter Lack“ und spezielle Trocknungshinweise achten; Waschanlage nach Lackierung erst nach Freigabe nutzen.
Kleiner Parkrempler an der Stoßstange
Smart Repair vs. Beilackierung
Kommt auf Schadenbild an: Spot-Repair oder Smart Repair kann genügen, wenn nur ein sehr kleiner Bereich betroffen ist und der Farbton unkritisch ist. Versicherer verweisen gerne pauschal auf Smart Repair. Bei komplexen Lacken oder größeren Flächen bleibt aber die Beilackierung technisch erforderlich. Entscheidung immer vom Fachbetrieb treffen lassen. Bei Streit hilft ein Gutachten zur Lackqualität.
Motorrad, E-Auto, Firmenwagen
Sonderfahrzeuge
Häufig ja: Sichtflächen sind klein, Farbtonabweichungen sofort erkennbar. Firmenwagen mit Beschriftung oder Folierung benötigen besonders saubere Übergänge. Beilackierung E-Auto / Motorrad / Firmenwagen kann höhere Stundensätze oder Zusatzaufwand (Demontage, Folie) bedeuten. Werkstattwahl bewusst treffen, ggf. spezialisierter Lackierbetrieb in Hamburg oder Region. Firmenwagen und Leasingfahrzeuge immer exakt dokumentieren.

Beilackierung und Versicherung – typische Konflikte

In der Regulierungspraxis versuchen Haftpflichtversicherer häufig, die Position „Beilackierung“ zu streichen oder zu kürzen. Argumente lauten etwa „Beilackierung angeblich unnötig“, „Politur genügt“ oder „Kostenvoranschlag ohne Beilackierung reicht aus“. Für Geschädigte ist wichtig:

  • Anspruch besteht auf eine fachgerechte Lackierung nach Herstellervorgaben, nicht auf die billigste Lösung.
  • Ein unabhängiges Schadengutachten ist deutlich stärker als ein reiner Kostenvoranschlag ohne Begründung.
  • Reklamation nach Lackierung ist möglich, wenn Farbtonunterschiede, Lacknebel, Läufer oder Staubeinschlüsse sichtbar sind.
  • Bei hartnäckigen Kürzungen lohnt sich rechtliche Hilfe bei Lackstreit durch einen spezialisierten Verkehrsanwalt.

Gerade bei Leasingfahrzeugen und Firmenwagen ist es wichtig, Beilackierung, Lackierqualität und Rechnung aufzubewahren, da spätere Diskussionen bei der Rückgabe sonst zu teuren Nachbelastungen führen können.

Qualität der Beilackierung – worauf Sie achten sollten

Eine gute Beilackierung erkennt man daran, dass der Schaden nach der Reparatur optisch nicht mehr auffällt – weder in der Sonne noch unter Werkstattlampen. Achten Sie auf folgende Punkte:

  • kein sichtbarer Übergang im Klarlack, keine harten Kanten,
  • kein Lacknebel auf angrenzenden Bauteilen, Scheiben oder Dichtungen,
  • keine „Wolken im Lack“ oder Flecken bei Metallic- und Perleffektlacken,
  • keine Lackläufer oder groben Staubeinschlüsse,
  • stimmiger Farbton auch auf Kunststoffteilen (Stoßfänger, Leisten).

Nach der Reparatur sollten Sie die von der Werkstatt gegebenen Tipps nach Lackarbeit beachten: Polieren nach Beilackierung und Waschanlage nach Lackierung erst nutzen, wenn der Lack vollständig durchgehärtet ist (oft 2–4 Wochen). Wer diese Hinweise ignoriert, riskiert feine Kratzer oder Mattstellen im Neulack.

FAQs

Häufige Fragen rund um Beilackierung, Farbtonangleich und Streit mit der Versicherung:

Was genau bedeutet Beilackierung?

Unter Beilackierung versteht man das Mitlackieren angrenzender Teile, um den neuen Lack unsichtbar in den Alt-Lack übergehen zu lassen. Statt nur die beschädigte Stelle zu lackieren, wird der Farbton über den Rand hinaus „gezogen“ und mit Klarlack auslaufend gestaltet. So sollen Farbtonunterschiede, Kanten und sichtbare Übergänge vermieden werden.

Wann ist Beilackierung technisch erforderlich?

Besonders bei Metallic-, Perleffekt- und Dreischichtlacken ist Beilackierung fast immer nötig, damit der Farbverlauf gleichmäßig wirkt. Aber auch bei Standardfarben können unterschiedliche Alterung, Politur und Waschanlagenbeanspruchung zu Farbabweichungen führen. Ob Beilackierung erforderlich ist, beurteilt der Fachbetrieb bzw. ein Kfz-Gutachter anhand des konkreten Fahrzeugs.

Wer zahlt die Beilackierung nach einem Unfallschaden?

Handelt es sich um einen Haftpflichtschaden, muss in der Regel die gegnerische Versicherung die technisch notwendige Beilackierung bezahlen – genauso wie andere Lackierarbeiten. Bei Kaskoschäden kommt es auf die Bedingungen Ihrer Kaskoversicherung an. Lehnt die Versicherung die Position ab, kann ein Verkehrsanwalt oder ein unabhängiger Gutachter helfen.

Reicht Polieren oder Smart Repair statt Beilackierung?

Bei kleinsten Kratzern oder Steinschlägen kann Politur oder Smart Repair ausreichen. Sobald jedoch größere Flächen, Kantenbereiche oder Effektlacke betroffen sind, ist eine Beilackierung meist die einzig saubere Lösung. Ob Smart Repair vs. Beilackierung sinnvoll ist, sollte immer ein Lackierfachbetrieb entscheiden – nicht allein die Versicherung.

Was kostet eine Beilackierung ungefähr?

Die Kosten einer Beilackierung hängen von Lackart, Bauteilgröße, Demontageaufwand und Region ab. Für das Mitlackieren eines angrenzenden Bauteils können schnell einige Hundert Euro anfallen. In Kombination mit einer größeren Lackreparatur ist die Position allerdings technisch notwendig und deshalb Bestandteil der regulären Schadenregulierung.

Wie lange sollte ich nach Beilackierung mit der Waschanlage warten?

Frischer Lack braucht Zeit zum Durchhärten. Viele Lackierbetriebe empfehlen, mindestens zwei Wochen, besser drei bis vier Wochen auf Waschanlage, Hochdruckreiniger und harte Polituren zu verzichten. Halten Sie sich an die individuellen Hinweise Ihrer Werkstatt – so vermeiden Sie feine Kratzer oder matte Stellen im Neulack.

Was kann ich tun, wenn die Beilackierung schlecht aussieht?

Stellen Sie Lackfehler wie Läufer, Staubeinschlüsse, matten Glanz oder deutliche Farbtonunterschiede fest, sollten Sie den Schaden umgehend in der Werkstatt reklamieren. Häufig lassen sich Probleme durch Nacharbeit beheben. Bleibt die Werkstatt uneinsichtig oder ist die Lackqualität dauerhaft schlecht, kann ein Gutachten zur Lackqualität und gegebenenfalls anwaltliche Unterstützung sinnvoll sein.

Ist eine dokumentierte Beilackierung beim späteren Verkauf problematisch?

Eine fachgerecht ausgeführte Beilackierung ist bei Gebrauchtwagenbewertung üblich und an sich kein Mangel. Wichtig ist Transparenz: In vielen Fällen wird in Schadengutachten, Rechnungen und Lackschichtdickenmessungen dokumentiert, welche Teile nachlackiert wurden. Größere Lackarbeiten können jedoch zu einem gewissen merkantilen Minderwert führen – besonders bei jungen Fahrzeugen.